: Mit der Zähigkeit einer Bulldogge
Die Humboldt-Juristen sind erneuert/ Keine west-östliche Mischung in der Professorenschaft/ Ex-Dekanin Will entlastet und auf dem Sprung zum Bundesverfassungsgericht ■ Von Winfried Sträter
Ganz so einfach ist es nicht, an der Humboldt-Universität einen Erfolg zu feiern. Nach nervenaufreibenden Jahren, in denen mit Gastdozenten mühsam der Lehrbetrieb aufrechterhalten wurde, Studien- und Prüfungsordnungen angepaßt, Pläne für neue Fachbereichsstrukturen entworfen und wieder über den Haufen geworfen wurden, nach zahllosen Kommissionssitzungen, Krisengesprächen und Kündigungen wollte der Fachbereich Rechtswissenschaften vor zwei Wochen endlich zeigen, daß er's geschafft hat.
Nicht kleckern, klotzen: Wissenschaftssenator Manfred Erhard und HUB-Präsidentin Marlis Dürkop mußten dabei sein, als sich der Fachbereich in einer Feierstunde als erneuert präsentierte. Doch siehe da: die Nachricht, daß Prof. Luther, einer der übriggebliebenen und für eine ordentliche Professur vorgesehenen Ost-Dozenten, politisch belastet war, vertrieb die festliche Stimmung. Luther hatte 1988 durch ein Gutachten den Prozeß gegen DDR-Bürgerrechtler vorbereitet. Um die Feierstunde doch noch zu retten, wurde eilig dafür gesorgt, daß sein Arbeitsvertrag aufgelöst wurde.
Da waren's nur noch drei. Eigentlich sollte der Fachbereich Jura ein Paradebeispiel dafür sein, daß an der HUB auch in den Geisteswissenschaften eine Erneuerung möglich ist, die zu einer west- östlich gemischten Professorenschaft führt. Sechs Ost-ProfessorInnen sollten in die neue Zeit übernommen werden. Doch zwei der Auserwählten mußten als ehemalige Stasi-Mitarbeiter ausscheiden. Luther war nun der dritte, der zu Fall kam, bevor er berufen wurde. Drei sind damit übriggeblieben, aber auch die im Grunde nicht richtig: Alle drei erhalten bloß eine auf fünf Jahre befristete Professur, und nach den starren akademischen Regeln heißt das: danach fliegen sie definitiv raus, auch wenn der Wissenschaftssenator das Gegenteil behauptet. Ihre einzige Chance ist dann ein Ruf an eine andere Universität.
Insofern hatten die Humboldt- Rechtswissenschaftler – auch ohne den Fall Luther – nicht so viel zu feiern. Aus der west-östlichen Erneuerung ist nicht sehr viel geworden. Angefangen beim neuen Dekan Krauß beherrschen West-Professoren heute den Fachbereich. Und doch: Ganz nutzlos war die Arbeit der letzten Jahre nicht. Denn dem Fachbereich wird bescheinigt, personell ausgezeichnet besetzt zu sein. Gemessen an dem, was nach der Wende drohte, ist das nicht wenig. Hätten sich die Humboldt-Juristen nicht so sehr ins Zeug gelegt, wäre der Fachbereich eine Beute der konservativen Juristenkamarilla von der Freien Universität geworden. Daß die davon abgehalten wurde, die Pfründe Unter den Linden unter sich aufzuteilen, ist vor allem das Werk der ehemaligen Dekanin Rosi Will.
„Mit der Zähigkeit einer englischen Bulldogge“ habe sie sich daran festgebissen, daß die Humboldt-Dozenten bei der Erneuerung mitbestimmen, bescheinigt ihr der TU-Professor Dietrich von Stebut, der als Gastdozent im Fachbereichsrat der Humboldt-Juristen gesessen hat. Vor der Wende zählte Will zu den Reformsozialisten, die an Modellen für einen anderen Sozialismus arbeiteten. Nach der Wende saß sie in der Verfassungskommission der DDR und zählte auch nach dem Untergang der DDR zu den kompetentesten ostdeutschen Verfassungsrechtlerinnen.
Dennoch, obwohl sie auch unter West-KollegInnen als qualifizierteste der Humboldt-JuristInnen gilt und entscheidend daran mitgewirkt hat, daß der Fachbereich heute außergewöhnlich gut besetzt ist: Auch sie erhält nur eine befristete Professur für fünf Jahre. Auch die war zwischenzeitlich noch in Frage gestellt, da ihr vorgeworfen wurde, im Fall Luther Unterlagen zurückgehalten zu haben. Die Universität hat diesen Vorwurf inzwischen überprüft, sie sieht allerdings in ihrem Verhalten keinen Grund, ihr die Unterzeichnung des Arbeitsvertrages zu verweigern.
Fern von Berlin winkt der einstigen DDR-Reformsozialistin nun eine juristische Karriere: Als erste Ostdeutsche möchte sie das Bundesverfassungsgericht als Wissenschaftliche Mitarbeiterin nach Karlsruhe holen. Sie wird dann für zwei Jahre dem Stab von Juristen angehören, die die Vorarbeit für Verfassungsgerichtsurteile leisten – in der Regel ein Karrieresprungbrett für Nachwuchsjuristen.
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