Die Stadt, das Geld und die olympische Idee

■ Olympia-Bewerbung: Judith Demba und die Olympia GmbH diskutierten

Berlin. „Wenn ich einen nur halb reifen Apfel in der Hand hätte, würde ich nicht reinbeißen“, kommentierte ein Jugendlicher aus Mitte das Ringen um die Akzeptanz für Olympia 2000. Ein Vertreter der „Falken“ hingegen beschwor die Chance der Spiele für die Stadt: „Wenn ich meine Großmutter einlade, ist das die Gelegenheit, endlich die Renovierung der Wohnung in Angriff zu nehmen.“ Die Veranstaltung im Olof- Palme-Haus der DGB-Jugend am Mittwoch abend war äußerst lebendig. Unter dem Motto „Olympia 2000 – wo ist das Problem“ diskutierte weniger das Podium als vielmehr die 100 Interessierten leidenschaftlich über die Olympia- Bewerbung. Nicht zur Sprache kam dagegen die Beteiligung der Bündnis-90-Abgeordneten Judith Demba an dem umstrittenen Anti- Olympia-Video.

Daß Berlin die Spiele brauche, daran ließ der sportpolitische Sprecher der SPD, Klaus Böger, keinen Zweifel. Olympia sei, das zeige das Beispiel München 1972, für Stadt und Region eine einmalige wirtschaftliche und kulturelle Chance und mache darüber hinaus den Bonner Umzugsverzögerern Beine. Böger räumte zwar ein, daß viele Menschen Angst hätten, aus ihren Wohnvierteln vertrieben zu werden, meinte aber, daß es Aufgabe der Politik wäre, diese Angst zu nehmen. Damit wollten sich die Gegner freilich nicht zufriedengeben. In München seien die Mieten von durchschnittlich 6 Mark/qm vor den Spielen auf 14 Mark danach gestiegen, und gebaut wurden vor allem teure und Eigentumswohnungen. Scharfe Kritik gab es auch wegen der Aufteilung der Finanzierung in olympia- und nicht- olympia-bedingte Kosten. So gehe die vom Vertreter der Marketing GmbH, Wolfgang Händel, vorgelegte Kalkulation von 170 Millionen Gewinn bei insgesamt 3,4 Milliarden Ausgaben, nicht auf. Demgegenüber stünden nämlich „außerolympische“ Ausgaben von 8 Milliarden Mark, unter anderem zum Bau der Sportstätten. „Die Gewinne werden privatisiert, die Verluste sozialisiert“, empörte sich ein Vertreter des AStA FU. „Eine unehrliche Rechnung“, fand auch Judith Demba. Wenn man die Spiele wolle, solle man wenigstens ehrlich sagen, daß diese Gelder an anderer Stelle gestrichen werden müßten.

Während die Finanzierung und die sozialen Auswirkungen bei den meisten Diskutanten Skepsis hervorriefen, bemühten die Olympia- Befürworter vor allem den völkerverständigenden Charakter der Spiele: „Der Sport ist heutzutage die einzige Möglichkeit, Menschen aus allen Nationen zusammenzubringen“, gab sich ein Vertreter der Sportjugend überzeugt. „Der Zwang nach neuen Rekorden, Doping und die Vermarktung der Spiele“, so die Entgegnung, schaffe einen Teufelskreis, der mit der olympischen Idee nichts mehr gemein habe. „Wenn es nur darum geht, daß sich Spitzensportler treffen, geht das auch billiger“, meinte der PDS-Abgeordnete Steffen Zillich. Seine Fraktion wie auch der Berliner Landesvorstand seien inzwischen mehrheitlich gegen Olympia. Uwe Rada