: Bundesländer feilschen um Finanzausgleich
■ Neue Länder verlangen 18 Milliarden Mark mehr, als die alten zahlen wollen
Potsdam (taz) – Für ihre Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich haben sich die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer einen geschichtsträchtigen Ort ausgesucht: Sie tagen heute und morgen im Cecilienhof, dem Schauplatz des Potsdamer Abkommens. An die Größe dieses Ereignisses dürften sie nicht herankommen, doch diplomatisches Geschick wird erforderlich sein bei der Suche nach einem Interessenausgleich zwischen alten und neuen Ländern.
Da die neuen Länder ab 1995 in den Länderfinanzausgleich einbezogen werden, müssen die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Ländern neu geregelt werden. In Potsdam gilt es, eine gemeinsame Linie der Länder zu finden, um am 11. März geschlossen in die Solidarpakt-Gespräche zwischen Bundesregierung, SPD und Länderregierungen gehen zu können.
Strittig ist vor allem, wieviel der Westen künftig an die neuen Länder überweisen muß. Die alten Länder gehen von jährlich 60 Milliarden Mark aus, einschließlich der bereits zugesagten Investitionshilfe des Bundes in Höhe von zehn Milliarden Mark. Die neuen Länder verlangen dagegen insgesamt 78 Milliarden Mark. Dabei soll die direkte Finanzspritze des Bundes im Rahmen eines Zukunftsinvestitionsgesetzes 20 Milliarden Mark betragen. So ließe sich innerhalb von 15 Jahren der Abstand zum Westen aufholen.
Zur Debatte steht auch, wie der Anteil der Geberländer künftig berechnet wird. Baden-Württemberg hatte in der vergangenen Woche mit einer Verfassungsklage gedroht, weil das finanzstarke Land eine übermäßige Belastung auf sich zukommen sieht. Auch Hessen ist durch die bisherige Regelung im Nachteil gegenüber den etwas weniger finanzkräftigen Ländern Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hamburg. Diese liegen in der sogenannten toten Zone, das heißt, sie müssen bisher keine Ausgleichszahlungen an andere leisten, da ihre Finanzkraft im Ländervergleich zwischen 100 und 102 Prozent liegt. Hessen und Baden- Württemberg müssen dagegen 70 Prozent ihrer Einnahmen abtreten, die zwischen 102 und 110 Prozent des Länderdurchschnitts liegen. Jenseits der 110 Prozent fließen sogar alle Einnahmen an ärmere Bundesländer. Ein von Hessen vorgelegter Gesetzentwurf schlägt eine gleitend-proportionale Abschöpfung der Finanzkraft vor. Für NRW, Bayern und Hamburg würde dies 1995 eine Mehrbelastung von zusammen 300 Millionen Mark bedeuten.
Ein weiterer Konfliktpunkt ist die Berücksichtigung der Gemeindesteuerkraft im Länderfinanzausgleich. Bisher wird die Hälfte des Steueraufkommens der Gemeinden der Finanzkraft der Länder zugerechnet. Die neuen Länder haben sich für die volle Anrechnung ausgesprochen, weil die Kommunen im Osten besonders wenig Steuern einnehmen. Dies würde den neuen Ländern 6,5 Milliarden Mark zusätzlich bescheren. „Damit würde ein Drittel der strittigen 18 Milliarden Mark bereits abgedeckt“, rechnete Brandenburgs Finanzminister Klaus-Dieter Kühbacher (SPD) gestern vor.
Bis sie in den Länderfinanzausgleich einbezogen werden, erhalten die neuen Länder Ausgleichszahlungen aus dem Fonds Deutsche Einheit. Mit einer Bundesratsinitiative will das Land Brandenburg erreichen, daß der Fonds im Jahr 1993 um 3,7 Milliarden auf 35,2 Milliarden Mark und 1994 um 8,5 auf 32,4 Milliarden aufgestockt wird. Kühbacher rechnet damit, daß sich die anderen Länder der Initiative anschließen.
Die Ministerpräsidenten werden auch ihre Position zur Bahnreform und Pflegeversicherung bestimmen. Wenn die Zeit reicht, soll auch die Finanzierbarkeit des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz diskutiert werden, wie der neue §218 vorsieht.
An der Pflegeversicherung haben alle Kommunen in Deutschland ein „handfestes Interesse“, wie der brandenburgische Finanzminister Kühbacher an einem Beispiel deutlich machte. Der Landkreis Gransee gebe 32 Prozent seiner Haushaltsmittel für Sozialhilfe aus, davon wiederum werde ein überproportionaler Anteil für HeimbewohnerInnen aufgewendet. „Es wäre eine große Hilfe, wenn uns diese Last abgenommen würde und die Mittel für den Aufschwung Ost zur Verfügung stünden“, so Kühbacher. Dorothee Winden
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