: Senats-Gästehaus, 2. Auflage
■ Krach im Beirat über Maritims Einfluß auf Behörden / Ortsamtsleiter belagert / Staatsrat verließ den Saal
Donnerstag abend, Beirat Schwachhausen. Rund 50 Personen sind da, die Stimmung ist hochgespannt. Hat die Hotelkette Maritim die bremische Verwaltung immer noch an der Kette? Es geht wieder um das Thema Senatsgästehaus, diesmal um die Grundwasserabsenkung für den den Neubau von Wohnungen für Maritim.
Acht Stunden, so haben die Bau-Leute aus dem Beirat irgendwo gelesen, muß das Grundwasser abgesenkt werden, und dann taucht plötzlich ein neues Gutachten auf, in dem von acht Wochen die Rede ist. Das würde weit in die Vegetationsperiode hineinreichen — der Beirat will das genau wissen. Aber dafür hat die Baufirma keine Zeit. Am Freitag nachmittag letzter Woche ruft der Staatsrat Umwelt, Uwe Lahl, den Ortsamtsleiter Müller an, um von ihm ein O.K. zu bekommen. Der sagt, er könne nicht für den Beirat sprechen. Und dann läuft Müllers Telefon heiß. Um noch eine Ausschußsitzung zustandezubringen, müßte Müller für Sonntag eine Sitzung einberufen — er lehnt ab.
Offenbar hat Maritim aus der Behörde erfahren, daß der Beirat sich quer stellt. Mehrere Maritim-Leute stören den Ortsamtsleiter an seinem privaten Wochenende, sogar ein Herr aus
Nie wieder Gummistiefel: Grundwasserabsenkung in Schwachhausen F.: Michael Koch
der Konzernspitze Stuttgart bittet den Ortsamtsleiter, doch der Grundwasserabsenkung zuzustimmen... Müller fühlt sich bedrängt und sagt schließlich seiner Frau, daß er jetzt verschwinden müsse — in die Sauna. Um nicht mehr ans Telefon gehen zu müssen.
Am Sonntag, eine halbe Stunde vor Beginn des Abpumpens, ruft Staatsrat Lahl den Beiratssprecher an und teilt ihm mit,
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Baustelle
daß das Abpunpem nicht mehr aufzuhalten sei. Am Montag bekommt Ortsamtsleiter Müller einen Brief vom Staatsrat, der sich über mangelnde Kooperationsbereitschaft beschwert.
Das alles lag in der Luft, als der Beirat sich am Donnerstag abend zusammensetzte. Als erstes meinte der Vertreter des Innensenators, Knudsen, er müsse darauf hinweisen, daß die Sache eigentlich öffentlich nicht be
handelt werden dürfe, weil der Bauantrag eine nichtöffentliche Angelegenheit sei. Sturm der Entrüstung. Die Geschichte der Gästevilla und des Wochendes wird ausgiebig erzählt. Dann kommt Uwe Lahl zu Wort. Er beginnt, wird unterbrochen, sagt einen neuen Satz. „Wieviel hast Du eigentlich von Maritim gekriegt?“ ruft einer von hinten. Uwe Lahl guckt zum Ortsamtsleiter, ob der den Zwischenrufer rügt, der regt sich nicht, der Staatsrat geht. „Der Beirat verurteilt die privilegierte Zusammenarbeit zwischen Maritim und mehreren Senaten“, beschließt dann der Beirat mit den Stimmen von CDU und Grünen. Der Senator für Umweltschutz wird aufgefordert, §30 Ortsgesetz zu respektieren und den Beirat rechtzeitig zu beteiligen.
Lahl gestern zu dem Vorfall: „Es gibt vieles, was im Gehalt drin ist, aber nicht alles.“ Er habe erwartet, daß der Ortsamtsleiter die Sitzungsordnung wiederherstellt. Die Grundwasser-Absenkung sei zudem eine problemlose Sache — „einige hundert“ gebe es in Bremen jedes Jahr, diese sei besonders klein — „kein Baum wird geschädigt“.
Karl Küpper, Grüner Beirats- Vertreter, bestätigt das in der Sache. Für ihn geht der Streit um den politischen Stil, um die Form: „Es geht darum, wie die Beiratsrecht vom Senator für Umweltschutz geachtet werden.“ Roswitha Erlenwein, CDU-Beirätin und Nachbarin, fragt sich, „wie sehr der Senat in der Abhängigkeit von Maritim ist“ und findet außerdem, daß es im Staatsrats-Gehalt inbegriffen sei, sich „auch so saudumme Äußerungen anzuhören — besonders wenn man mal mit Bürgerbeteiligung zur Wahl antrat“. K.W.
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