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Auch Islamisten protestieren in Mogadischu

■ Unruhen in Somalias Hauptstadt gehen weiter/ US-Truppen zurückhaltend

Mogadischu (taz) – „Unser Fahrer ist von US-Soldaten entwaffnet worden, obwohl er die notwendigen Genehmigungspapiere zum Tragen von Waffen vorweisen konnte. Habt ihr jemanden da, der unser Fahrzeug jetzt schützen kann?“ funkt ratlos ein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation in Somalias Hauptstadt Mogadischu. Aber sein Ansprechpartner kann ihm nicht helfen. Auch am Freitag ist es den ausländischen Militärs in Mogadischu nicht gelungen, die Lage unter Kontrolle zu bringen. Nur wenige Autos fahren auf den Straßen. Selbst kurze Fahrten bergen ein großes Risiko, denn immer wieder eröffnen Heckenschützen das Feuer. Sogar auf der Zufahrtsstraße zum schwerbewachten Flughafen wurden US-amerikanische Truppen unter Beschuß genommen.

„Man kann nicht sagen, daß irgend jemand derzeit Mogadischu unter Kontrolle hat“, erklärte Botschafter Hansjörg Eiff, Beauftragter der Bundesregierung für humanitäre Hilfe, unmittelbar vor seinem Abflug aus Somalia nach einem dreitägigen Aufenthalt der taz. „Die Amerikaner sind ja selbst nicht aus ihren Häusern herausgekommen, wahrscheinlich um die Unruhen nicht weiter zu schüren.“ Tatsächlich werden bedrohte Ausländer seit Tagen, wenn überhaupt, vor allem von nigerianischen Truppen geschützt. Die Amerikaner, die das Oberkommando der Militäroperation in Somalia haben, halten sich weitgehend zurück.

Am Donnerstag abend hatten Beobachter geglaubt, die Lage in Mogadischu werde sich entspannen, nachdem General Morgan, der Schwiegersohn des gestürzten Diktators Siad Barre, auf ein US- Ultimatum eingegangen war. Er befahl seinen Kämpfern, die zu Beginn der Woche die Hafenstadt Kismayo erobert hatten, den Rückzug. „Wenn er geschickt ist, kann er das als großen Sieg verbuchen“, meint der Leiter einer internationalen Hilfsorganisation. „Erst hat Morgan gezeigt, daß er trotz US-Präsenz in Kismayo einmarschieren kann, jetzt darf er mit dem Rückzug seine Bereitschaft zur Kooperation unter Beweis stellen.“

Der in Mogadischu herrschende Kriegsfürst General Farah Aidid, der nach Eroberung Kismayus durch General Morgan in einer Rundfunkansprache die Bevölkerung der Hauptstadt zu Protestaktionen aufgerufen hatte, hat sich mittlerweile für Frieden und Mäßigung ausgesprochen. Ungeachtet dessen jedoch gingen die Unruhen nicht nur weiter – es verdichteten sich darüber hinaus die Hinweise, daß sie nun auch noch auf das bislang friedliche Territorium von Aidids Gegner Ali Mahdi im Norden Mogadischus überzugreifen drohen.

„Wir gehen davon aus, daß islamische Fundamentalisten die Drahtzieher hinter den Ereignissen der letzten Tage sind und viele Leute Hinweise auf weiteres Vorgehen beim Freitagsgebet in bestimmten Moscheen bekommen“, meint ein somalischer Verwaltungsangestellter. „Aidid ist militärisch so geschwächt, daß er aus taktischen Gründen gerne bereit sein dürfte, sich mit diesen Kräften zu verbünden.“

Die Gruppierung des Generals Aidid hatte bei Entwaffnungsaktionen von US-Soldaten in den letzten Wochen militärisches Gerät in großem Umfang verloren. Dem Vernehmen nach sollen islamistische Gruppierungen seit einigen Wochen alles an Waffen aufkaufen, was in Mogadischu zu bekommen ist. Die Preise für Kriegsgerät waren in den ersten Tagen nach Beginn der allgemeinen Entwaffnung auf einem Tiefpunkt angelangt, sind jedoch seit etwa einem Monat sehr deutlich angestiegen. Bettina Gaus

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