■ Ökolumne
: Langlebige Produkte? Von Heinrich von Lersner

Auf dem ersten Blick müßte ich als Umweltschützer für möglichst langlebige Produkte sein, denn man spart dadurch meist Rohstoffe und Energie für die Herstellung und verursacht weniger Abfall. Am Beispiel des Automobils kann man aber auch die ökologischen Nachteile der Langlebigkeit demonstrieren. Als Porsche vor etwa 20 Jahren die Vorteile eines durchschnittlich 30 Jahre nutzbaren Automobils ausrechnete, da waren wir begeistert. Danach setzten aber wirFoto-Nr.: 10

Umweltschützer auf kürzere Gebrauchszeiten, um unsere Investitionswünsche rasch durchzusetzen: Katalysator, Lärmminde-Foto: Darchinger

rung und jetzt vor allem Verbrauchsminderung. Sobald allerdings der angestrebte Durchschnittsverbrauch von fünf Liter auf 100 km beim Pkw durchgesetzt ist, werden wir wieder auf die Porsche-Studie zurückkommen.

Der Konsumbereich mit dem größten Durchlauf dürften die Bekleidungstextilien sein. Wer hier fordert, sich auf langlebige Kollektionen zu beschränken und diese auch noch möglichst lange zu tragen, wird bald merken, wie sehr wir ein Volk von Umweltmuffeln sind. Umfragen haben bestätigt, daß die Konsumenten beim Textilienkauf nicht an den Umweltschutz denken (wollen). Dazu paßt, daß die Verwendung bestimmter umweltbelastender Textilhilfsmittel nach Angaben der Industrie vor allem auf fashion-geneigte Verbraucherwünsche zurückzuführen ist. Auch bei den Haushaltsgeräten und Heizungsanlagen müssen Umweltschützer fordern, energieverschwendende Geräte gegen energiesparende auszutauschen, auch wenn sie noch funktionstüchtig sind. Diese Empfehlung könnte sich in zwanzig Jahren bei dann hoffentlich stark photovoltaisch geprägten Geräten wiederholen...

Ferner: Unbestritten ist der Zweitnutzen durch florierende Second-hand-Märkte ein Beitrag für den Umweltschutz. Allerdings würde zum Beispiel in eine Initiative zur Überlassung alter Haushaltsgeräte für bedürftige Menschen in den osteuropäischen Staaten Proteste hervorrufen, daß sich das reiche Deutschland auf diese Weise seiner Abfallprobleme, zum Beispiel FCKW-haltiger Kühlschränke, entledigen will.

Als Paradebeispiel für die Wegwerfgesellschaft werden immer wieder Möbel angeführt. Aber kann man Twens zumuten, ihre trendnah ausgesuchten Möbel auch noch im midlife zu verwenden? Auch anderen Menschen kann man das Bedürfnis nach Tapetenwechsel sicherlich nicht ohne missionarischem Sendungsbewußtsein ausreden. Für bestimmte Käuferschichten könnten sogar einmal kurzlebige Produkte wie die aus Umweltsicht nicht zu beanstandenden Karton-Möbel eine Alternative sein. Hauptsache bleibt, daß das nicht mehr benötigte Stück nicht im Sperrmüll landet, sondern sinnvolle Verwertung findet.

Es gibt auch schwierig zu bewertende Zielkonflikte: So ist die Haltbarkeit von Außenanstrichen, die der Witterung ausgesetzt sind, vor allem von der Konzentration fungizider Wirkstoffe abhängig. Gerade die sollen jedoch aufgrund ihrer das Leben zerstörenden Eigenschaften nur sehr begrenzt – wenn überhaupt – eingesetzt werden. Die Dauer der Ansehnlichkeit von Innenanstrichen verhält sich im übrigen direkt proportional mit der Zahl der dort gerauchten Zigaretten... Der erwähnte Zielkonflikt ist kein Einzelfall: Langlebigere und auch energiesparende Autos sind durch einen höheren Kunststoffanteil erreichbar, der bei der bisherigen Autowrackverwertung stört.

Natürlich haben Hersteller und Handel meist ein Interesse an kurzlebigen Produkten. Leider kann die Stiftung Warentest Langlebigkeit nur schwierig, meist durch Leserumfrage, testen. Auch beim „Blauen Engel“ spielt die Langlebigkeit der Produkte nur eine begrenzte Rolle. Wir wissen insgesamt noch viel zu wenig über das hier auch ökologisch zu bewegende Potential. Aber wie so vieles im Umweltschutz ist die plakativ gestellte Forderung nach langlebigeren Produkten nicht hilfreich. Vielmehr ist diese Frage differenziert und nur unter Berücksichtigung des Umfeldes der genau gemeinten Produkte sachgerecht zu beurteilen. Hier brauchen wir noch viel mehr Transparenz und eine von wirtschaftlichen Interessen unabhängige vergleichende Produktbewertung.

Dr. Heinrich von Lersner ist Leiter des Bundesumweltamtes Berlin