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Intelligente Logistik für Millionen

■ Am Gleisdreieck entsteht die Versorgungsanlage für Europas größte Baustelle / Betonwerk und Umschlagplatz für Potsdamer-Platz-Bauten verdrängen Stadtpark

Berlin. Der Bausenator rang nach Bildern, um das kaum Begreifbare zumindest vorstellbar zu machen. Man müsse sich, so Wolfgang Nagel, eine Fläche von zehn Fußballfeldern denken, bis zur Höhe des Fernsehturmes angefüllt, oder eine LKW-Kolonne von 7.000 Kilometern, immerhin das Vierfache der Entfernung Berlin- Madrid, dann würde man die Dimension erahnen, die sich hinter der nackten Zahl von neun Millionen Tonnen verbirgt. Diese Menge Berliner Boden wird in den nächsten Jahren im zentralen Bereich ausgehoben, um vier Tunnel mit Bahnhöfen, einem kompletten Regierungsviertel und vier Großbauvorhaben Platz zu machen. Um dies alles zu errichten, müssen acht Millionen Tonnen Beton, sieben Millionen Tonnen Kies und Sand sowie eine Million Tonnen Zement auf die Areale zwischen Landwehrkanal und Lehrter Bahnhof gebracht werden.

Eine Aufgabe, die, nach Wolfgang Nagels Worten, eine intelligente Baulogistik erfordert. Die Lösung hat seit zwei Tagen einen Namen. Am Samstag morgen gründeten das Land Berlin, die Deutsche Reichsbahn und die Investoren Daimler Benz, Roland Ernst, Sony und Hertie die „Gesellschaft Baustellenlogistik Potsdamer Platz mbH“. Die erstgenannten vier Eigner halten je 20 Prozent der Anteile, Sony und Hertie je 10 Prozent. Entsprechend werden die Kosten aufgeteilt, die zunächst für das Betriebsgelände und die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen entstehen. Das Gelände wird von der Reichsbahn auf dem Potsdamer und dem Anhalter Bahnhof rund um das Gleisdreieck zur Verfügung gestellt. Die Höhe der Pacht, so sagt der Präsident der Reichsbahndirektion, Walter Remmert, wird noch ausgehandelt.

Fest stehen hingegen bereits die Kosten für die Straßenneubauten auf dem Areal. Für 50 Millionen Mark wird eine Brücke über die Uferstraßen und den Landwehrkanal gebaut und auf diese Weise eine kreuzungsfreie Transportverbindung zwischen den Baugeländen und den Lagern und Produktionsstätten geschaffen. Die Brücke soll bereits Ende 1993 stehen. Zwischen Gleisdreieck und Flottwellstraße wird der Bodenaushub zwischengelagert, bis er über die Dresdner-, Anhalter- und Wannsee-Bahn Richtung Brandenburg abtranportiert wird. In der Nähe von Seddin ist ein Umschlagplatz geplant. Sechs Züge, in Spitzenzeiten sogar fünfzehn, werden täglich hin- und herfahren und die Materialien zum Potsdamer Bahnhof transportieren, die dort in einer eigenen Betonanlage zu insgesamt fünf Millionen Tonnen Beton verarbeitet werden. Weiter östlich wird an der Yorckstraße ein Stahlbiegewerk entstehen, das 200.000 Tonnen Baustahl fertigen soll (siehe nebenstehende Skizze).

Trotz des Transportes über die Schiene wird es, nach Nagels Ansicht, während der Bauzeit zu Beeinträchtigungen des Verkehrs im Innenstadtbereich kommen. Allerdings sieht er einen wesentlichen Vorteil der jetzt gefundenen Lösung in der geringeren Umweltbelastung. Ein Transport über die Straße hätte einen zusätzlichen Stickoxyd-Ausstoß von 230 Tonnen jährlich bedeutet.

Das Beton- und das Stahlbiegewerk sowie die übrigen Bauleistungen sollen nicht von der Logistikfirma selbst betrieben und erbracht werden. Ähnlich wie andere Anlagen wird dieses Werk ausgeschrieben.

Am Lehrter Bahnhof soll demnächst ein zweites Logistikzentrum entstehen. Alle Beteiligten haben sich dafür eine Option offengehalten. Von ihm aus sollen die Baustellen nördlich der Straßenachse 17. Juni/ Unter den Linden betreut werden. Der Transport ist hier über die Bahnanlagen des nördlichen Innenstadtringes und die Spree geplant.

Im Jahre 2002 sollen die Bauarbeiten im zentralen Bereich beendet sein, die Anlagen am Gleisdreieck sollen zu diesem Zeitpunkt abgebaut werden. Der Anhalter und der Potsdamer Bahnhof stehen dann für andere Nutzungen zur Verfügung. Allerdings gibt es schon jetzt handfeste Interessen. Der Senat hat Daimler Benz bereits 1.500 Parkplätze auf dem Gelände des Potsdamer Bahnhofs zugesagt. Die Fläche dafür müßte die Reichsbahn zur Verfügung stellen. Sie erhofft sich im Gegenzug die Genehmigung von Gewerbeansiedlungen in diesem Bereich.

Weitgehend unberücksichtigt bleiben bislang die Vorstellungen der drei betroffenen Bezirke. Tiergarten, Schöneberg und Kreuzberg wollten auf dem Gleisdreiecksgelände eigentlich einen zentralen Stadtpark einrichten und hatten gehofft, daß die Baulogistik direkt auf dem Gelände am Potsdamer Platz errichtet wird. Doch das ist nach Einschätzung der Bauverwaltung wegen des Aushubs der Baugrube für den Bahnhof Potsdamer Platz nicht möglich. Auch die Erwartung von Kreuzbergs Bezirksbürgermeister Peter Strieder, daß das Logistikzentrum auf einen Teilbereich des Potsdamer Bahnhofsgeländes beschränkt wird und östlich davon bereits mit der Anlage des Stadtparks begonnen werden kann, hat sich nun zerschlagen. Lediglich in einem kleinen Areal zwischen dem Beton- und dem Stahlbiegewerk wird die Gleisdreieck-Flora und -Fauna erhalten bleiben – sofern sie nicht im Baudreck und -lärm eingeht. Ob sich aus diesen Restbeständen in zehn Jahren der gewünschte Stadtpark entwickeln wird, ist offen. Nagel hat den Bezirksbürgermeistern letzte Woche lediglich zugesagt, sich im Senat dafür einzusetzen, daß in einem Teilbereich die von den Bezirken geforderte öffentliche Infrastruktur in Angriff genommen wird. Kreuzberg und Schöneberg wollen am Südrand des Geländes eine Kita und eine Schwimmhalle bauen. Eine Unterstützung dieser Pläne hält Nagel schon deshalb für erforderlich, weil eine solche Geste „die Akzeptanz der Baumaßnahmen erhöht“. Dieter Rulff

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