In Osteuropa ein Schock ohne Therapie

Der Internationale Währungsfonds vergibt keine Kredite mehr an osteuropäische Staaten/ Finanzkrisen sind nicht nur selbstverschuldet: Irak zahlt seine Schulden in Osteuropa nicht  ■ Aus Budapest Keno Verseck

Die Schonfrist für Osteuropa ist abgelaufen – kein Erbarmen mehr. Dieses Motto scheint sich der Internationale Währungsfonds (IWF) nun endgültig zum obersten Grundsatz seiner Kreditvergabepolitik gemacht zu haben. In den vergangenen Wochen platzten serienmäßig Kreditvereinbarungen mit osteuropäischen Ländern – ein Trend, der sich allen Anzeichen nach fortsetzen wird.

Letzten Dienstag kam die Reihe an Rumänien. Premier Nicolae Vacaroiu teilte mit, daß der IWF seinem Land die letzte Rate einer 500-Millionen-Dollar-Kreditlinie, die im Juni 1992 vereinbart worden war, gesperrt habe. Grund: die schwere Finanzkrise Rumäniens.

IWF-Verantwortliche hatten bereits früher verlauten lassen, Rumänien sei unfähig, seine Hartwährungsreserven auf einem Niveau zu stabilisieren, das einen weiteren Kreditfluß von seiten des Währungsfonds sinnvoll erscheinen lasse. Die Kreditlinie sei als Zahlungsbilanzhilfe gedacht gewesen, habe jedoch einen Ausgleich derselben nicht bewirkt.

Hinter dem kühlen Wirtschaftskauderwelsch verbirgt sich indessen ein Teufelskreis: Wegen einer schweren Versorgungskrise war Rumänien im letzten Jahr gezwungen, für Hartwährung große Mengen Lebensmittel, insbesondere Weizen, zu importieren. Negativ wirkt sich auf die Hartwährungsreserven noch immer aus, daß einer der größten Schuldner Rumäniens, der Irak, seit dem Golfkrieg weder die Kredite abbezahlt noch Öl nach Rumänien liefert. Rumänien mußte vergleichsweise teurere Energieträger importieren, um die eigene Energiekrise nicht noch zu vertiefen. Einen erheblichen Ausfall von Exporteinnahmen hat das Land auch seit dem UNO-Embargo gegen Rest-Jugoslawien zu verzeichnen. Entschädigungen oder Hilfen, wie rumänische Politiker forderten, bekommt das Land nicht.

Nach Berechnungen des rumänischen Handelministeriums erreichte der Export im letzten Jahr nur 72 Prozent des Niveaus von 1989, während die Importe um 70 Prozent höher lagen als 1989. Die Währungsreserven betragen derzeit knapp 30 Millionen Dollar – ein Niedrigstrekord. Auch das Haushaltsdefizit des Landes wird dieses Jahr kaum im geplanten Rahmen von vier Prozent des Bruttosozialproduktes liegen. Denn wegen der katastrophalen sozialen Lage hat Rumänien die schon vom früheren Premierminister Theodor Stolojan vorgesehene restriktive Finanzpolitik nicht konsequent durchgeführt. Zwar wurden die Preise stufenweise freigegeben, gleichzeitig aber auch die Löhne mehr erhöht als geplant. Außerdem erließ der Staat einer Reihe von Unternehmen im vergangenen Frühjahr in großem Umfang Schulden.

Wegen eines Hyperdefizites im Staatshaushalt hatte der IWF im Falle Ungarns Anfang Februar die Verhandlungen abgebrochen, die um eine Wiederaufnahme der im vergangenen Frühjahr gesperrten Kreditlinie geführt wurden. Ungarns Haushaltsdefizit lag mit 185 Milliarden Forint mehr als zweieinhalbmal so hoch als geplant, da vor allem Ausgaben im Sozialbereich bedeutend höher ausfielen als vorgesehen.

Daß das für Bulgarien im März letzten Jahres vereinbarte Kreditprogramm vorerst ausgesetzt wird, teilte der IWF Politikern des nach Albanien und Rumänien drittärmsten Landes Europas vor zwei Wochen mit. Die Hauptrolle spielte dabei der Plan für das diesjährige Haushaltsdefizit, das der IWF auf fünf Prozent des BSP beschränkt, bulgarische Wirtschaftspolitiker jedoch auf acht bis zehn Prozent festlegen wollten. Der IWF bemängelte außerdem, daß die tatsächlichen Wirtschaftsergebnisse im letzten Jahr schlechter ausgefallen seien als geplant, obwohl es Bulgarien immerhin gelungen war, die Dynamik der Wirtschaftskrise zu verlangsamen. Die Zahlungsbilanz schloß sogar mit einem positiven Saldo, während sie 1991 noch ein Defizit aufgewiesen hatte.

Eine negative Entscheidung über neue Kredite erwartet demnächst die Slowakei. Nachdem der slowakische Regierungschef Vladimir Mečiar vergangene Woche protektionistische Maßnahmen angekündigt hatte und sich gegen eine Abwertung der slowakischen Krone aussprach, verlautete von seiten des IWF, daß man sehr beunruhigt über diese Erklärung sei. Slowakische Finanzpolitiker rechnen derzeit damit, daß die bereits vor der Mečiar-Erklärung abgebrochenen Verhandlungen mit dem IWF auch bei ihrer Wiederaufnahme scheitern werden.