: "Die lieben ihr Land nicht"
■ Haben die Rau-Sozis den WDR wegen kritischer Berichterstattung mit Frequenzentzug bestraft?
Düsseldorf (taz) – In seiner ungelenken Rhetorik kommt der Rundfunkrat-Vorsitzende des WDR, Reinhard Grätz (SPD), der Wahrheit bisweilen ziemlich nahe. „Herr Grätz“, so wird der biedere SPD-Politiker in dem Protokoll der letzten Sitzung des Gremiums am 21. Januar dieses Jahres in indirekter Rede zitiert, „schließt nicht aus, daß der Landtag dem Frequenzentzug zugestimmt hat, weil es ,Westpol‘ in dieser Art und Weise gebe.“ Was Grätz am landespolitischen WDR-Magazin „Westpol“ mißfällt, gab er ebenfalls zu Protokoll: Aus den Beiträgen sei „herauszuhören, daß die redaktionellen Mitarbeiter ihr Land nicht lieben“.
Diese Grätz-Äußerungen waren in der letzten Sitzung des WDR-Rundfunkrates der rhetorische Höhepunkt einer von den SPD-Rundfunkräten angezettelten Debatte über das für die Regierung Rau offenbar zunehmend unbequeme Westpol-Magazin, das in einer journalistischen Mischung aus „Zak“ und „Monitor“ hinter die Düsseldorfer Regierungskulissen schaut. Den jahrelang von höflicher Hofberichterstattung verwöhnten Rau-Sozis geht die flotte Machart von Westpol entschieden zu weit.
Jürgen Büssow, medienpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, beschwerte sich in der letzten Rundfunkratssitzung darüber, daß „die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten in Nordrhein-Westfalen“ in dem WDR- Landesmagazin nicht zum Ausdruck kämen. In den Beiträgen spiegele sich vielmehr „die Lebenswirklichkeit des Autors“ aus dem alternativen Milieu „der Kölner Südstadt“ wider, bemerkte Büssow bissig. Sekundiert wurde der SPD-Medienpolitiker ausgerechnet von dem Landesvorsitzenden des Deutschen Journalisten- Verbandes (DJV), Michael Kroemer (ein Genosse aus Raus Heimatstadt Wuppertal): „Auch Herr Kroemer teilt die Kritik an „Westpol.“ Er unterstützt den Vorschlag, sich im Programmausschuß ausführlicher mit dieser Sendung zu befassen“, heißt es in dem der taz vorliegenden Protokoll des WDR-Rundfunkrates.
Verstimmungen zwischen den Sozis und dem von ihnen jahrelang ausgesprochen pfleglich behandelten WDR sind in jüngster Zeit unüberhörbar. Die Rau-Regierung umgarnt den maßgeblich von Bertelsmann mitfinanzierten neuen Privatsender Vox, zu dessen Gunsten dem WDR zu Jahresbeginn auf Initiative der SPD-Mehrheitsfraktion vom Düsseldorfer Landtag zwei Frequenzen entzogen wurden (was den WDR in seiner regionalen Fenster-Berichterstattung schmerzlich beschneidet).
Als die Düsseldorfer Genossen Ende vergangener Woche Wind davon bekamen, daß das Rundfunkrat-Protokoll mit den arg verfänglichen Grätz-Äußerungen unter Journalisten kursierte, waren sie erkennbar um Schadensbegrenzung bemüht. Es sei „absurd“, einen Zusammenhang zwischen dem Frequenzentzug für den WDR und der geharnischten SPD- Kritik an dessen Westpol-Magazin zu konstruieren, erklärte SPD-Medienexperte Büssow: „Wir machen doch Medienpolitik nicht von einer Sendung abhängig.“ Der gewiefte Politstratege Büssow wollte den Journalisten verklaren, Grätz habe das alles „gar nicht so gemeint“, was er da laut Niederschrift gesagt haben soll.
Mit dieser Lesart dürften die Genossen freilich bei der nach Bekanntwerden des WDR-Protokolls alarmierten Düsseldorfer Landtagsopposition kaum durchkommen. Der Generalsekretär der NRW-CDU, Herbert Reul, will sich jedenfalls nicht damit zufrieden geben, daß die SPD ihren einflußreichen medienpolitischen Strippenzieher Grätz jetzt als einen „einsamen Idioten hinstellt, der einen bedauerlichen Fehler gemacht habe“.
Auf Antrag der Opposition von CDU, FDP und Grünen soll sich der Ältestenrat des Landtags mit den Grätz-Äußerungen am morgigen Mittwoch befassen; bereits heute werden die Sozialdemokraten und ihre getreuen Bündnispartner im WDR-Rundfunkrat möglicherweise einen Mißtrauensantrag gegen den Genossen Grätz niederstimmen müssen. Johannes Nischmann
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