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Einige Absonderlichkeiten

Deutsche Unternehmer loben den „Pragmatismus“ der iranischen Regierung  ■ Von Thomas Dreger

Mit einer fünfseitigen Sonderbeilage würdigte die Süddeutsche Zeitung den 14. Jahrestag des Sturzes des Schahs von Persien, Rezah Pahlevi. Neben einer ganzseitigen Anzeige der iranischen Botschaft, die auch in anderen Zeitungen erschien, plazierten die Redakteure aus München Inserate iranischer Banken, Stahlproduzenten, Teppich- und Kaviarhändler sowie die Eigenwerbung: „Auslandsbeilagen in der Süddeutschen, das Umfeld für internationale Wirtschaftsbeziehungen“.

Die Beilage wurde am 11. Februar dieses Jahres veröffentlicht, drei Tage bevor sich die von Ajatollah Chomeini gegen den Schriftsteller Salman Rushdie verhängte Fatwa zum vierten Mal jährte. Für das redaktionelle Umfeld sorgten als Autoren u.a. Herbert Riedel, Geschäftsführer der in Hamburg beheimateten „Deutsch-Iranischen Handelskammer e.V.“ und Professor Udo Steinbach, Direktor des „Deutschen Orient-Instituts“ in Hamburg.

Besonders die Auslassungen Steinbachs ließen nach Deutschland geflohene Exiliraner frösteln. Steinbachs Beitrag kam gänzlich ohne die Vokabeln „Menschenrechtsverletzungen“, „Folter“ und „Gefängnisse“ oder deren Synonyme aus. Der Professor, der gelegentlich im Troß deutscher Industrieller und Politiker nach Teheran reist, schreibt vom „Pragmatismus“ des amtierenden Präsidenten Haschemi Rafsandschani, der sich in den Parlamentswahlen im April 1992 gegen die „Radikalen“ durchgesetzt habe. Diese am Anti- Außenwirtschaftskurs Chomeinis festhaltenden Mullahs sind laut Steinbach „links-islamische Kräfte“, deren Programm aus „einer islamisch eingefärbten sozialistischen Wirtschaftspolitik“ bestehe. Merke: Die Feinde der deutschen Wirtschaft sind immer irgendwie „links“, auch wenn sie iranische Mullahs sind.

Realistischer beschreibt der Wirtschaftslobbyist Riedel die Situation in der Islamischen Republik – zumindest was die dortige Situation für deutsche Investoren angeht. Riedel freut sich zwar über die vorausgegangenen drei „fetten Jahre“, warnt aber für 1993 vor einer bevorstehenden „Durststrecke“.

Aus iranischer Perspektive ist die Bundesrepublik Handelspartner Nummer eins, gefolgt von Japan, Italien und Großbritannien. Die Iraner kaufen in der Bundesrepublik vor allem Maschinen, elektrotechnische Erzeugnisse, Autos, Eisen- und Eisenwaren sowie chemische Erzeugnisse. Der Umsatz deutscher Unternehmen im Irangeschäft betrug im vergangenen Jahr fast acht Milliarden Mark. Umgekehrt sind die Handelsströme vergleichsweise gering. Iran verkauft neben Öl und Erdgas vor allem Teppiche und Pistazien. Der Wert der nach Deutschland gelieferten iranischen Produkte sank 1992 zwischen Januar und Oktober um 23,5 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum 1991. Dennoch blieb die Bundesrepublik größter Abnehmer iranischer Nicht-Öl-Produkte.

In Bonn steht die größte Botschaft Irans weltweit. Aktien deutscher Firmen im Wert von über 600 Millionen Mark sind in iranischer Hand. Die Summe wird sich in den nächsten Monaten noch steigern. Wiederholt wurde angekündigt, der Iran werde 40 Prozent des ostdeutschen Reifenherstellers „Pneumat“ aufkaufen. Seit Monaten verhandeln die Iraner mit der „Treuhandanstalt“ auch über die Übernahme von Anteilen des Schwermaschinenherstellers „Takraf“ und des Chemiewerkes „Leuna“.

Dennoch ist die Freude der deutschen Iran-Händler getrübt. Man ist sich einig, daß der Zenit des deutsch-iranischen Aufschwungs im letzten Herbst überschritten wurde. Die Steigerungsrate der bundesdeutschen Umsätze im Irangeschäft lag 1992 zwar rund 20 Prozent höher als im Vorjahr. Ende August 1992 hatte sie noch 35,2 Prozent mehr betragen als zum gleichen Zeitpunkt 1991.

Die von Irans Staatschef Rafsandschani vorangetriebene Politik der wirtschaftlichen Öffnung zeigte bisher nicht die erhofften Erfolge. Anstatt weiter zu importieren, muß der Iran sparen. Seit Mitte des Jahres ist die iranische Staatsbank nicht mehr in der Lage, ihre Rechnungen termingerecht zu bezahlen. International soll der Iran mit 15,5 Milliarden US-Dollar verschuldet sein. Die Hauptgläubigerländer sind Deutschland, Japan und Italien. Die „Deutsch-Iranische Handelskammer“ schätzt, daß die Islamische Republik bei der Bundesrepublik mit einer Milliarde US-Dollar in der Kreide steht. Die Wirtschaftsredaktion der FAZ wies bereits im November darauf hin, daß „Hermes- Bürgschaften“ für deutsche Exporte in den Iran zwar seit Juni nicht mehr auf 500 Millionen Mark begrenzt seien, daß entsprechende Anträge aber sehr kritisch auf ihr Risiko überprüft würden.

Die Wirtschaft des Landes ist durch den achtjährigen Krieg gegen den Irak und Experimente einer „islamischen Wirtschaft“ schwer geschädigt. Die iranischen Exporte sind im Vergleich zu den Importen verschwindend gering. Seit der Revolution im Jahr 1979 fiel der Iran in der Liste der erdölexportierenden Staaten erst rapide und danach beständig zurück. Unter den Erdöllieferanten der Bundesrepublik nimmt der Iran mittlerweile nur noch Platz 13 ein.

Rafsandschanis Politik der Öffnung nach außen bei gleichbleibender politischer Repression nach innen stieß 1992 an ihre Grenzen. Als die iranische Regierung im Frühjahr die Subventionierung von Grundnahrungsmitteln reduzierte, stiegen die Preise einiger Lebensmittel um bis zu 300 Prozent. In den Vororten von Teheran und etlichen iranischen Städten gingen daraufhin die Bewohner auf die Straßen. In Maschhad, der Heimatstadt des iranischen geistlichen Führers Ali Chamenei, sowie in Shiraz, Arak und anderen Städten wurden die Proteste gegen Hunger und Wohnungsnot blutig niedergeschlagen. Die im Ausland als „pragmatisch“ gepriesene iranische Regierung zeigte der eigenen Bevölkerung die eiserne Faust.

Die von Rafsandschani angekündigte „Liberalisierung“ der iranischen Wirtschaft verläuft seitdem stockend. Subventionierungen wurden nicht im angekündigten Maße gekürzt. Entgegen anderslautender Zusagen ist der iranische Rial immer noch nicht frei konvertierbar. Zum Leid ausländischer Investoren wird die iranische Währung zu mehreren Kursen gehandelt, die teilweise mehr als 200 Prozent auseinanderklaffen. Nach jüngsten Informationen aus Teheran soll der Wechselkurs bis zum Ende des laufenden Fünfjahresplans am 20. März 1994 vereinheitlicht werden. Für die iranische Bevölkerung würde dies weitere immense Preissteigerungen bedeuten.

Unklarheit herrscht auch über ausländische Mehrheitsbeteiligungen an iranischen Unternehmen. Unter Chomeini hatte die Devise gegolten, daß iranische Unternehmen zu mindestens 51 Prozent in iranischer Hand sein müßten. Im Mai vergangenen Jahres hatte es dann geheißen, ausländische Unternehmen könnten sich im Rahmen von Joint-ventures bis zu 100 Prozent an iranischen Firmen „beteiligen“, sie also de facto aufkaufen. Sowohl das iranische Industrie- als auch das Handelsministerium bestätigten diese Regelung. Dennoch gelang es in der Zwischenzeit keinem ausländischen Investor, mehr als 49 Prozent eines iranischen Unternehmens zu erstehen.

Anfang Februar dieses Jahres erklärte Rafsandschani, die Verfassungsmäßigkeit ausländischer Mehrheitsbeteiligungen müsse noch von dem sogenannten „Wächterrat“ überprüft werden. Angesichts solcher Unwägbarkeiten erinnerte Riedel in der Süddeutschen Zeitung deutsche Unternehmen an eine „Tugend“, die in Iran-Geschäften immer eine besondere Bedeutung gehabt habe: „der Wille zum Durchhalten“.

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