piwik no script img

Traumhafter Blindflug in die Krise?

■ Deutsche Aerospace baut neuen Airbus A 321 / Keine Probleme: Weltluftfahrt kriselt, die DASA wackelt, Daimler wankt

/ Keine Probleme: Weltluftfahrt kriselt, die DASA wackelt, Daimler wankt

Wie kleine Jungs vor der Carrera-Bahn staunten gestern rund 3000 Männer über den neuen Airbus A 321. In gleißendem Licht rollte der Flieger zu klassischer Musik in die Halle der Deutschen Aerospace in Finkenwerder. Bundesautobahn-Minister Günther Krause ließ vom Kanzler grüßen.

Wenn am 15. März mit dem Airbus A 321 „Otto Lilienthal“ erstmals seit fast 40 Jahren wieder ein in Deutschland gebautes großes Verkehrsflugzeug abhebt, freuen sich nicht nur Daimler-Benz-Vorstand und Luftfahrtfans. Deutsche Industriestrategen sind begeistert: Endlich kann man an die glorreichen Zeiten der Junkers-Werke anknüpfen.

Ein erster Versuch schlug Ende der 50er Jahre fürchterlich fehl: Als sich der von ehemaligen Junkers-Ingenieuren entwickelte Prototyp eines vierstrahligen Düsenjets, Arbeitstitel „152“, nahe Dresden mit seiner vierköpfigen Besatzung in den Boden bohrte, beendete kurz darauf die DDR-Führung „aus ökonomischen Gründen“ das deutschsozialistische Jet-Zeitalter. Mehr Erfolg scheint jetzt dem deutschen Monopolkapital gegönnt: Mit der Fusion der alten Kriegsflugzeugsschmiede MBB und Daimler-Benz wurde 1990 die Grundlage zum weiteren Aufstieg des Airbus in Finkenwerder gelegt.

Fusions-Trauzeuge Henning Voscherau, auf dessen Jawort Daimler damals angewiesen war, weil Hamburg eine Sperrminorität an MBB besaß, und der damalige Hamburger Betriebsleiter Mehdorn hatten durchgesetzt, daß Hamburg die Airbuszentrale innerhalb des Daimler-Luftfahrtreichs Deutsche Aerospace (Dasa) werden sollte. So kam es. Damit hatte Mehdorn endlich einen Weltkonzern und ein bißchen handfeste betriebswirtschaftliche Logik, zwei Waffen, die ihm im Kampf mit dem französischen Airbuspartner, den selbstbewußten Staatskapitalisten in Toulouse, gefehlt hatten. Mehdorn wollte eine eigene Endmontagelinie als Keimzelle eines Hamburger Airbusimperiums. Er bekam sie, weil die betriebswirtschaftlichen Daten das bisherige Hinundher-Montieren quer durch ganz Europa als unwirtschaftlich entlarvten.

Jetzt träumen Mehdorn, inzwischen gar im Vorstand der Dasa, Voscherau, die IG-Metall und der Betriebsrat sogar von einem zukünftigen Luftfahrtimperium in Hamburg, das neben der A 321 einen Regionaljet, weitere Airbus- Entwicklungen bis hin zum neuen Großraum-Jet plant und baut. Der Weltmarkt ist für die Strategen bereits aufgeteilt: Übrig bleiben allein Boeing und das europäische Airbus-

Konsortium samt assoziiertem rus-

1sischen Luftfahrtkombinat.

Trotz der gegenwärtigen Rezession von Weltwirtschaft, Daimler, Dasa und Luftfahrt scheint Hamburg mit der A 321 ein glückliches Händchen gehabt zu haben. Während die Produktion des in Toulou-

se endmontierten A 320 heftig zu-

1rückgefahren wird, sind die Marktprognosen für den A 321 unverändert günstig. Die sieben Meter längere und größere Schwester des A 320, konzipiert für den Kurz- und Mittelstreckeneinsatz mit hohem Passagieraufkommen, kann in der

Krise ihre betriebswirtschaftlichen

1Trümpfe voll ausspielen. 153 Bestellungen von 11 Luftfahrtgesellschaften liegen bereits vor. Selbst die Lufthansa hat ihr 20-Pack noch nicht storniert, wird aber voraussichtlich auf die Option für weitere 20 A321 verzichten müssen. ach/fm

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen