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Friedlich, aber schrecklich laut

Borussia Dortmund verliert beim AS Rom zwar mit 0:1, aber die Fans sind mit dem Ausflug zufrieden, solange das Dosenbier nicht alle ist  ■ Von Freddie Röckenhaus

Was 10.000 Dortmunder in der ewigen Stadt von der 0:1-Niederlage ihrer Repräsentanten gegen ASRom hielten, ließ sich im schwarz-gelben Block des Olympiastadions leicht ausmachen: Wunderbare Fete, Jungs! 1:0 macht gar nichts! Und jetzt bitte noch die Ehrenrunde! Und dann ab nach Hause, denn das Dosenpils geht zur Neige. Borussia Dortmunds Auftritt in Rom war ungefähr wie immer, wenn Westfalens Hauptstädter einen Ausflug machen. Einmal abgesehen davon, daß es diesmal eine Niederlage mit einem „gefährlichen Ergebnis“ gab, so BVB-Trainer Hitzfeld, „das sich für viele Fans gut anhört, weil sie glauben, daß man damit schon eine Runde weiter ist.“ Solcher Spagat zwischen der kumpeligen Gefühlsduselei des Dortmunder Volkes und der nüchternen Wermutstropfen-Abteilung in den BVB-Entscheidungsetagen ist freilich bereits gut aufeinander eingespielt. Hitzfeld mahnt, die Fans johlen und die Spieler versuchen, so etwas wie enthusiasmierte Nüchternheit zu spielen. Nach Rom war die westfälische Invasion von Norden her mit Linienflügen, zehn Chartermaschinen, ungezählten Busladungen und Pkw („Wir sind schon übern Brenner“) angekommen. Seit Montag belagerte ein Basislager von etwa 7.000 Dortmundern die Spanische Treppe. Die nachts vor dem Spiel alarmierte Polizei bestätigte, die Leute hätten sich „absolut friedlich“ benommen, seien aber „einfach schrecklich laut“. Den Anwohnern würde der künstlerische Anspruch der Schlachtgesänge nichts sagen, sie seien deshalb verstimmt. Man habe um Ruhe gebeten und Verständnis geerntet.

Römische Bitten um Dortmunder Ruhe waren auf dem Spielfeld weniger erfolgreich. Es mag zwar das Schicksal unreiferer Mannschaften sein, besser zu spielen, mehr Chancen zu haben und dann zu verlieren. Doch hinterließ Roma nicht gerade den Eindruck einer abgebrühten Klassemannschaft. Zorc meldete Giannini ab, Kutowski hielt gegen Häßler zumindest ein Unentschieden, und Roms Stürmer Rizzitelli und Carnevale (mit Yuppie-Haarzopf) fielen gegen Schulz und Schmidt auch nicht oft auf. Rom hatte drei Chancen in neunzig Minuten; kurz vor der Pause durch Giannini, kurz danach wiederum durch Roms „Prinzen“ und anschließend durch Carnevale. Ein „Glücksschuß“ (so Hitzfeld) von Mihajlovic in der 67. Minute, der aus zwanzig Metern, volley und trocken zum 1:0 ins lange Eck traf, war dennoch schon so ziemlich das Bemerkenswerteste, was Roma zu bieten hatte. Spielbestimmend blieben die Dortmunder, die über die gesamte Spielzeit verteilt ein halbes Dutzend Chancen versiebten – allein dreimal scheiterte Dortmunds bester Mann, Michael Schulz, an Roms Torwart Cervone. Aber auch die Schlußoffensive, nach dem (rot-gelben) Platzverweis gegen Bonacina (78.) brachte nichts Zählbares. Dortmund, das im Europapokal auf die Mitarbeit des sonst leitenden Angestellten Sammer verzichten muß, weil dieser erst nach der für die europäische Ebene gültigen Wechselphase geholt wurde, ist angesichts des Spielverlaufs dennoch optimistisch. Bundestrainer Vogts, unter den 45.000 Zuschauern im verregneten Olympiastadion, sah das auch so. Borussia habe bisher ihre Sache sehr gut gemacht. Zum ersten Mal seit 1966 (damals war der BVB erster deutscher Europapokalsieger geworden) hat der Klub ein Euro- Viertelfinale erreicht. Das wird beim zweiten Termin im Westfalenstadion viele Euphorie-Einheiten freisetzen. Das Spiel ist natürlich seit langem ausverkauft – so wie vor dem Hinspiel bei allen Dortmunder Bankhäusern die Lira ausverkauft waren. Der Dortmunder Fan zahlt gerne bar und hatte sich reichlich eingedeckt. Von wegen: Krisenregion.

Borussia Dortmund: Klos - Zelic - Schmidt, Schulz - Reuter, Zorc, Rummenigge, Kutowski, Poschner - Povlsen (83. Sippel), Chapuisat

Zuschauer: 41.351, Tor: 1:0 Mihajlovic (67.), Gelb/Rote-Karte: Bonacina (80.) wegen wiederholten Foulspiels

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