Britischer „Kreuzzug“

■ Tories für Sicherheits- und Erziehungszentren für kriminelle Kinder

London (taz) – Die Gunst der Stunde ist mit Britanniens Innenminister Kenneth Clarke, und er weiß sie zu nutzen. Eben noch mußte er mit Plänen zur Züchtigung junger Krimineller in speziellen Kinder-Haftanstalten hinter dem Berg halten, weil er Unverständnis fürchtete, jetzt braucht er nur noch auf die Woge der Emotion in seinem Land springen. Erschüttert von dem Mord, den zwei zehnjährige Liverpooler an einem Zweijährigen verübt haben sollen, rufen viele BritInnen – angeheizt von der Boulevardpresse – nach härterem Vorgehen gegen junge VerbrecherInnen.

Das wohl grausamste Verbrechen, das England seit langem erlebt hat [auch „dank“ wegguckender und nicht eingreifender PassantInnen! d.sin], ebnet Clarke den Weg, sein geschürtes Paket endlich offen auf den Tisch zu legen: Am Dienstag stellte er im Unterhaus vor, was er als Kernstück für Majors „Kreuzzug gegen die Kriminalität“ bezeichnete: Eine Reform des Strafgesetzes soll es möglich machen, hartnäckige Kriminelle zwischen zwölf und fünfzehn Jahren hinter Gitter zu bringen. Er hoffe, in Kürze ein Netzwerk von fünf „Sicherheits-Erziehungs- Zentren“ mit insgesamt zweihundert Plätzen für uneinsichtige junge Straftäter zu errichten.

Clarke spricht nicht etwa von Härtefällen wie den beiden Liverpooler Mördern, sondern von Kindern, die durch Ladendiebstahl, Überfälle oder Autoknacken auffallen. In den Anstalten will Clarke ihnen eine Mischung aus Erziehung, Bildung und Strafe angedeihen lassen. Das Gesetz soll es RichterInnen ermöglichen, Kindern, die mindestens dreimal erwischt worden sind, in solche „Grundschulen des Bürgerrechts“ zu stecken. Nur wie er die nötigen 75 Millionen Pfund für die Einrichtung dieser „Schulen“ und ihre wöchentlichen laufenden Kosten von rund 500.000 Pfund zusammenbekommt, weiß der Minister noch nicht. Seine Rechnung, es werden sich freiwillige, private Träger finden, ist bislang nicht aufgegangen.

Wie zu erwarten, stieß Clarke mit seinen Plänen bei der Labour- Opposition auf harte Kritik. Deren innenpolitischer Sprecher Tony Blair meinte, es sei sicher sinnvoller, die jungen TäterInnen von ihresgleichen zu trennen, als sie mit 50 anderen Kriminellen zusammenzustecken. „Was wir brauchen, sind Schulen mit Verantwortung, und nicht Bildungsanstalten des Verbrechens.“ Die Kritik, die Clarke aus den eigenen Reihen trifft, klingt ganz anders: Hinterbänkler fürchten, der Kreuzzug sei immer noch nicht hart genug und komme zu spät, um das Übel zu bekämpfen. Antje Passenheim