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Keine Knete vom Senat für Schulschwänzer

Hamburger Schulleiter und Psychologen protestieren gegen die Verschiebung des Modellversuchs  ■ »Produktionsschule«

Was ist eine Produktionsschule? „Sie soll ein Angebot an schulpflichtige Jugendliche sein, die derzeit keine Schule besuchen“, heißt es in einem Schreiben des Vereins „Produktionsschule in Hamburg“.

Im Klartext: In jedem Schuljahr schwänzen ungefähr 1500 Hamburger Berufsschüler dauerhaft den Unterricht — Jugendliche, die sich nicht in bestehende Schulformen integrieren lassen. „Sie sollen in unterschiedlichen Werkstätten Waren produzieren, die verkauft werden“, erklärt Thomas Johanssen, Mitinitiator des 1989 gegründeten Vereins. „Dafür sollen sie ein kleines Gehalt bekommen.“

Die Schulform „Produktionsschule“ stammt aus Dänemark und arbeitet dort seit 1978 mit großem Erfolg. „Jugendliche empfinden sich erstmals in ihrem Leben als nützlich“, sagt Harald Fischer, Schulleiter An der Glinde Au, der sich eine solche Schule angesehen hat. Die Atmosphäre beschreibt er als eine Mischung aus konzentriertem Arbeiten und fröhlicher Stimmung. Das Motto: Lernen am Produktionsprozeß. Angeboten werden Tätigkeiten in Garten und Küche, Tischlerei und Druckerei. Schule und Schüler verwalten sich selbst.

In Hamburg soll die „Produktionsschule“ erst einmal drei Jahre lang getestet werden. Denn ob sich das Modell aus Dänemark so einfach in die Hansestadt übertragen läßt, weiß noch niemand. Im Prinzip sind alle verantwortlichen Stellen für einen Versuch mit 90 Schülern. Der Verein „Produktionsschule“ weiß sich einig mit Schulsenatorin Rosemarie Raab. Doch der geplante Start zum ersten August dieses Jahres ist bereits aus Kostengründen gescheitert. Denn „jeder Schüler, der nicht in die Schule kommt, spart Geld“, so Fischer.

Das jedoch sei kurzsichtig gedacht, meint Werner Stolpe, Vorsitzender der Vereinigung Hamburger Schulleiter. „Da es die Aufgabe der Produktionsschule sein soll, Jugendliche vor der lebenslangen Abhängigkeit von Sozialhilfe zu bewahren, hilft sie, viel Geld einzusparen.“ Dabei kostet sie nach Angabe des Vereins „Produktionsschule“ genausoviel wie der Besuch von Berufsvorbereitungsklassen. Ein Teil der Kosten würde zudem von Arbeitsamt und Europäischem Sozialfonds übernommen.

Als Standort der ersten Hamburger Produktionsschule sieht der Verein derzeit eine baufällige Fabrik in der Barmbeker Feuerbergstraße vor. Die Schule selbst soll als gemeinnützige GmbH organisiert werden. Werner Stolpe betont: „Die Lehrer fordern nichts für sich selbst. Auch für uns ist jeder Schüler, der nicht zum Unterricht kommt, eine Entlastung.“ Aber: „Jugendlichen, die von Drogen und Kriminalität bedroht sind, muß dringend geholfen werden.“ Torsten Schubert

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