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Spritsteuer ab 1994

13 Pfennig mehr pro Liter/ Autobahn-Vignette ab Sankt-Nimmerleins-Tag  ■ Von Hans-Martin Tillack

Bonn (taz) – Er ist in Bonn stets zuverlässig zur Stelle, wenn es gilt, auch kleinste umweltpolitische Fortschritte zu verhindern. Doch am Mittwoch abend gelang es dem bayerischen Innenminister und Vignettenfreund Edmund Stoiber (CSU) lediglich, die Debatte unerträglich in die Länge zu ziehen. So dauerte es fast sieben Stunden, bis die Koalitionsrunde schließlich zu dem Ergebnis kam, das schon vorher alle erwartet hatten: Die Mineralölsteuer wird erhöht, die Autobahn-Vignette für Personenwagen mit Anstand beerdigt.

Um 13 Pfennig pro Liter soll die Mineralölsteuer sowohl für Vergaser- wie Dieselkraftstoffe ab dem 1. Januar 1994 erhöht werden. Um Pendler zu entlasten, wird die Kilometerpauschale gleichzeitig um zehn Pfennig auf 75 Pfennig erhöht. So beschloß es die Koalition, nachdem es dem direkt aus Moskau in die Runde geeilten Kanzler Helmut Kohl gelungen war, Stoiber und Verkehrsminister Günther Krause (CDU) zur Räson zu bringen.

Die Vignette lehnte die Koalition zwar nicht ausdrücklich ab, ließ den Termin ihrer Einführung jedoch völlig offen. Zunächst müßten in der EG die Voraussetzungen für diese „zeitabhängige Autobahngebühr“ geschaffen werden, heißt es in dem Beschluß. Selbst bei einer Zustimmung der EG- Verkehrsminister sollte die Vignette lediglich „übergangsweise“ gelten.

„Frühestmöglich“ müsse dann eine streckenbezogene Maut erhoben und das Autobahnnetz privatisiert werden, so der Wille der Regierung.

Damit sei „ganz offen“, ob die PKW-Vignette jemals komme, resümierte gestern der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Ekkehard Gries. Lediglich für LKW forderte die Koalitionsrunde „kurzfristig“ eine Vignettenlösung, stellte aber auch sie unter den Vorbehalt der EG-Zustimmung. An dem Ziel, ausländische LKW auf deutschen Autobahnen zur Kasse zu bitten, ließen die Koalitionäre gleichzeitig keine Zweifel. Diese Frage habe „mindestens den Rang der Bananendiskussion“ und sollte vom Bundeskanzler in die Hand genommen werden, meinte Gries.

Wann die europäischen Nachbarn hier zu einem Kompromiß bereit sind, ist aus Sicht der FDP jedoch völlig offen. Und auch Krauses Ministerialen wollten gestern keine Prognosen wagen. Ebenfalls offen blieb, wann es zu der streckenbezogenen Autobahnmaut kommen wird. Während man im Verkehrsministerium an die Jahre 1997 oder 1998 denkt, zeigte Gries sich eher skeptisch. Bereits jetzt soll aber eine Vorbereitungsgesellschaft gegründet werden, die sowohl die Autobahnprivatisierung vorbereiten als auch die technischen Fragen der Mauterhebung klären soll.

Einstweilen soll die Mineralölsteuererhöhung genügend Mittel in die Kassen des Verkehrsministers spülen, damit dieser jährlich acht Milliarden Mark zur Abtragung der Bahnschulden beisteuern kann. Weitere Aufschläge auf den Benzinpreis in der Zukunft schloß Gries gestern nicht aus. Die Umweltpolitiker der Koalitionsfraktionen und Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) hatten eine stufenweise Erhöhung der Steuer um jeweils zehn Pfennig jährlich gefordert. Die Regierung sollte diesen Stufenplan bereits jetzt ankündigen, damit Industrie und Verbraucher sich darauf einstellen könnten.

Dieses Modell lehnte die Koalitionsrunde ab. Gries nannte es eine „Strangulierungsmethode“, wenn den Autofahrern heute schon ihr „Leidensweg“ vorgezeichnet werde. Die Koalition nahm lediglich Töpfers alte Forderung auf, die Kraftfahrzeugsteuer emissionsbezogen umzustellen, setzte dafür aber ebenfalls keinen Termin.

Mit ihrem Beschluß von Mittwoch nacht habe man keine „umweltpolitischen Fernziele“ verwirklichen wollen, sondern nur versucht, „ein praktisches Problem möglichst schnell und rationell zu lösen“, meinte Gries. Kommentar des SPD-Verkehrsexperten Klaus Daubertshäuser: „Flickwerk.“

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