: Niemand stoppt das Schlachten
■ Serbische Tschetniks morden ungestört in Bosnien/ Karadžić droht den USA mit Terror
Gibt es noch eine Rettung für die Menschen aus Ostbosnien? Für Tausende käme sie ohnehin schon zu spät. Nach Berichten des bosnischen Rundfunks haben serbische Freischärler ein schreckliches Blutbad angerichtet. 1.400 Menschen aus Cerska sollen tot oder vermißt sein. Tausende von Flüchtlingen, die von Cerska nach Konjevic Polje flüchten wollten, wurden nach diesen Berichten von Artillerie und Maschinengewehren beschossen. Einigen Flüchtlingsgruppen gelang es, sich in die ostbosnische Stadt Tuzla durchzuschlagen. Seit der Funkkontakt in die Enklave Cerska gestern nachmittag abgebrochen ist, sind jedoch die Nachrichten versiegt. Fieberhaft bemüht sich die UNO darum, die Erlaubnis der serbischen Angreifer zu bekommen, in die bosnischen Enklaven zu gelangen. Sie wurde bisher nicht erteilt. Aus Belgrad wurden die Serben aufgefordert, den Fliehenden freies Geleit anzubieten.
Doch die Wirklichkeit sieht nach Ansicht des Vertreters der UNO-Hilfsorganisation UNHCR, Levinson, keineswegs ermutigend aus. Er erklärte wörtlich: „Es ist offenkundig, die Serben wollen uns nicht in das Gebiet lassen, bis sie ihre Arbeit beendet haben. Sie werden immer mehr von ihnen töten.“ 10.000 Menschen säßen ohne jeden Schutz vor dem eisigen Winter und serbischen Geschossen in Konjevic Polje, unter ihnen 3.000 Kinder und 1.500 Verwundete. Angesichts dieser Situation rang sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der Nacht zum Donnerstag wenigstens zu einer Stellungnahme durch. In dem Text heißt es: „Der Sicherheitsrat verlangt, daß das Töten und die Grausamkeiten aufhören, und bekräftigt, daß jene, die sich Verbrechen gegen die internationalen Menschenrechte zuschulden kommen ließen, von der Weltgemeinschaft persönlich zur Verantwortung gezogen werden.“ In dem Text werden die bosnischen Serben zweimal als Aggressoren bezeichnet. Der Sicherheitsrat verwies darauf, daß er jederzeit wieder zusammentreten könne, um ein weiteres Vorgehen zu erörtern. Worum es sich dabei handeln könne, bleibt offen.
Der UNO-Sicherheitsrat wies Ghali an, die sofortige Stationierung von UNO- Friedenstruppen oder -Beobachtern in Ostbosnien in die Wege zu leiten. Die Erklärung, in der auch das sofortige Ende der Kämpfe und Greuel verlangt wurde, ist zwar in scharfem Ton abgefaßt, hat jedoch keinen bindenden Charakter. Erklärungen dieser Art waren schon in früheren Fällen wirkungslos geblieben.
Unterdessen haben bosnische Serben den Vereinigten Staaten eine Terrorwelle angedroht, wenn die Luftbrücke nach Ostbosnien nicht abgebrochen wird. Serbenführer Radovan Karadžić forderte in einem in New York veröffentlichten „offenen Brief an die Amerikaner“ die Einstellung der Luftbrücke, die „zu einer Ausweitung des örtlich begrenzten Konfliktes zu einem neuen Weltkrieg“ führen könne. In einer von der New York Times veröffentlichten Fassung heißt es, die Fortsetzung des Engagements könne die USA zum Ziel von Terroranschlägen machen. In der Nacht zum Donnerstag explodierte eine aus einem vorbeifahrenden Auto geworfene Handgranate vor der US-Botschaft in Belgrad. Bereits am vergangenen Freitag hatte die Polizei in Zagreb einen Sprengsatz unschädlich gemacht, der vor der dortigen US-Botschaft abgestellt war. Unterdessen rief die Gesellschaft für bedrohte Völker zu Demonstrationen auf. Seiten 8 und 10
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