: Vorschlag
■ „Der Reigen“ – einer der schönsten Liebesfilme von Max Ophüls – im Movimento
Unterm österreichischen Abendhimmel, an einem funkelnden Jahrmarktskarussel beginnt eine der schönsten Schnitzler-Verfilmungen der Filmgeschichte. Tief in die Augen schaut uns der Erzähler, der „Spielführer“, sein Blick sagt: „Sie wissen ja, was ich meine“, und wir wissen in der Tat. Wie auf dem Karussel drehen sich die Menschen durch die verschiedensten Liebesgeschichten im Kreise, ohne es zu merken; den Schnitzlerschen Zynismus hat Ophüls dabei, in der Heimatlosigkeit seines französischen Exils, in sanfte Melancholie verwandelt.
Als der Film gedreht wurde, im Frühjahr 1950, hatte der in Saarbrücken geborene Max Ophüls bereits eine Odyssee durch das Wiener Burgtheater, die Ufa, eine Flucht durch Frankreich, Italien, Holland und die Schweiz hinter sich, war 1940 nach Hollywood gegangen und wurde vom Screwball-Meister Preston Sturges für dieses ihm am ehesten entsprechende amerikanische Genre entdeckt.
Zwischen glitzernden Spiegeln, durch die Ophüls mit langen, elaborierten Kamerafahrten seinen Reigen zieht, bewegen sich fünf Personen wie Planeten in Anziehung und Abstoßung. Mit Simone Signoret, Jean Louis Barrault (dem Kind des Olymps), Isabelle Miranda und der verschreckten Danielle Darrieux ist die Chose auch wahrhaft olympisch besetzt; man betrügt sich, duelliert sich, schreibt Briefe, wirft Küsse, verhungert am langen Arm und leidet im Wiener Caféhaus, zur Musik von Oskar Straus, Dekor: Fin de Siècle, Wien.
Ohne es zu wollen, trat Ophüls mit seinem tänzerischen Stil und den langen, tiefen Einstellungen einen neuen Zweig der Filmtheorie los: die Theorie des Autorenkinos, die sich vor allem für die Handschrift des einzelnen Regisseurs und nicht so sehr für Genres oder Themen interessiert, fand in Ophüls ihr erstes Exempel.
Auch wenn diese Scholaren sich hauptsächlich für den Stil interessierten, so läßt sich doch für Ophüls auch eine thematische Lebenslinie ziehen: die romantische Liebe, halb fatal, halb egal – mit ein bißchen sanfter Ironie erzählt, mit Glacéhandschuhen angefaßt und um die Jahrhundertwende plaziert; A liebt B, B aber C, C aber D etc.pp.
In den USA, wo der Film als „Sexkomödie“ gelesen und prompt inkriminiert wurde, war er lange Zeit überhaupt nicht zu sehen, bis der Oberste Gerichtshof das Verbot aufhob.
Mariam Niroumand
Max Ophüls: „Der Reigen“, nach einem Roman von Arthur Schnitzler. Kamera: Christian Matras. Mit Adolph Wohlbrück, Simone Signoret, Gérard Philipe und Danielle Darrieux. Frankreich, 1950, 97 Minuten.
Im Kreuzberger Movimento 3, um 20 Uhr, Omu, Kottbusser Damm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen