EG verliert ihr ökologisches Versteck

■ Aber US-Experten warnen vor zu großen Hoffnungen auf Präsident Clinton

Wuppertal (taz) – „Bill Clinton ist kein Umweltpräsident, und die Aussichten für weitreichende Initiativen in der Klimapolitik sind einfach mager.“ Umweltökonom Roger Dower gehört bestimmt nicht zu den Pessimisten in Washington. Der frühere Chefökonom des US-Kongresses und heutige Wissenschaftler am World Ressource Institute will die Erwartungen nur nicht allzu hoch schrauben. Und nach zwölf Jahren Reaganomics sind schon kleine Schritte ein Erfolg – wie die geplante allgemeine Energiesteuer. Die Steuer soll für alle konventionellen Energieträger erhoben werden. Für Atomstrom kassiert der Staat genauso wie für Kohle. Gas und Öl wird doppelt so hoch besteuert, Sonne, Wind und Wasser gar nicht.

Bill Clinton will 1994 mit der Abgabe einsteigen. Ab 1996 soll sie jährlich 22 Milliarden Dollar einbringen. Die Stromrechnung eines durchschnittlichen US-Haushaltes würde monatlich allerdings nur um 3,50 Mark steigen, und der Liter Benzin wäre 1996 ganze drei Pfennige teurer. Kosten pro Familienhaushalt insgesamt: 100 bis 150 Dollar im Jahr.

Ein zweiter umweltpolitisch relevanter Schritt zeichnet sich für Dower ab. Der Präsident werde noch im März dem Beispiel der Europäer folgen und eine Stabilisierung der Kohlendioxidemissionen bis zum Jahr 2000 ankündigen. Doch dann sei wahrscheinlich vorläufig Ende der klimapolitischen Fahnenstange, warnte der US- Wissenschaftler auf einem deutsch-amerikanischen Workshop des Wuppertaler Instituts für Klima, Energie, Umwelt.

Obwohl sich Dower und andere Experten bemühten, die Erwartungen an ihre neue Regierung kleinzukochen, konnten sie die Euphorie der deutschen Umweltwissenschaftler in Wuppertal über den demokratischen Wahlsieg nicht völlig zerstreuen. Größte Hoffnung des Öko-Wissenschaftlers Reinhard Loske: Clintons Steuer könne die Europäer veranlassen, ihre auf Eis gelegte eigene Energiesteuer zu reaktivieren und so die Blockade in der internationalen Klimapolitik zu brechen.

Zur Erinnerung: Die EG hatte sich im Sommer 1992 klimapolitisch selbst gefesselt. Auf Drängen der Industrie und ihrer Lobbyisten wie EG-Kommissar Martin Bangemann und der französischen Regierung hatte die EG-Kommission die Einführung einer Energiesteuer von ähnlichen Schritten in anderen OECD-Staaten abhängig gemacht. Die Franzosen wollen, so hört man aus Brüssel, notfalls weitere Hindernisse aus dem Hut zaubern. Der neue EG-Umweltkommissar Ioannis Paleokrassa hatte erst kürzlich gewarnt, auch in diesem Jahr werde es mit der Energiesteuer nichts werden.

In die gleiche Kerbe schlug in Wuppertal auch Matthias Mors, Abteilungsleiter in der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen der EG. Mors sah zwar in dem Clinton-Vorstoß zur Energiesteuer einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Es sei aber keineswegs ausgemacht, daß dies von der EG honoriert werde. Denn die US-Steuern seien viel niedriger als die geplante EG- Energiesteuer – am Anfang sei die US-Steuer halb so hoch für Öl, bis zum Jahr 2000 verschlechtere sich dieses Verhältnis weiter.

Wichtiger aber noch: Die EG hat genausowenig wie die US- Amerikaner eine eigenständige Energiepolitik; bisher konnten die Europäer sich aber komfortabel hinter dem breiten Kreuz der US- Amerikaner verstecken. „Die EG war ganz weit vorn bei den klimapolitischen Versprechen, bei der Umsetzung kam dann aber nicht viel“, so Mors. Energiepolitik werde im Maastrichter Vertrag nicht einmal erwähnt. So könne es denn auch nicht wundern, daß die Hälfte der Mitgliedsstaaten nach jahrelanger Diskussion zum Treibhauseffekt und zur Energiepolitik noch nicht einmal ein klimapolitisches Ziel festgelegt habe. „Schon deswegen machen wir keinen Fortschritt.“ Der Süden, der unter der zögerlichen und widersprüchlichen Politik der reichen Industriestaaten am meisten zu leiden hat, kam in Wuppertal wie in der realen Politik nur in den Fußnoten vor. Auf eindeutige Signale für eine Politik der nachhaltigen Entwicklung wird er wohl auch nach der Wahl Bill Clintons weiter warten müssen. Hoffentlich nicht so lange, wie es der SPD-Umweltpolitiker Michael Müller andeutete. Für ihn ist „die Organisationsform der Industriegesellschaft selbst die Krise“. Womit wir beim Motto fürs nächste Jahrtausend wären: Entweder wir schafften die Industriegesellschaft ab, oder sie schafft uns ab. Hermann-Josef Tenhagen