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Sao Paulo auf dem Kiez ?

■ FC St. Pauli: 3:1 gegen Unterhaching, 25 unvergessliche Minuten im Wilhelm-Koch-Stadion zu Hamburg und zwei Gastgeschenke

3:1 gegen Unterhaching, 25 unvergessliche Minuten im Wilhelm-Koch-Stadion zu Hamburg und zwei Gastgeschenke

Die 12211 ZuschauerInnen am Hamburger Millerntor rieben sich vor Verwunderung die Augen. „Sind das echt unsere Jungs, die dort spielen? Sind wir hier wirklich im Wilhelm-Koch-Stadion auf St. Pauli?“ Sie waren es. Doch was der FC St. Pauli in den ersten 25 Minuten der Begegnung gegen Unterhaching zeigte, war gänzlich Kiezclub- untypisch. Der Gegner wurde bereits in der eigenen Hälfte attackiert, das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen funktionierte, Leonardo Manzi war als ständige Anspielstation präsent und Chancen wurden herausgespielt. Etwa in der 12. Minute: Freistoß Knäbel, Manzi leitet den Ball zu Dirk Dammann und der zirkelt den Ball unhaltbar für Unterhachings Torhüter Anton Häfele in den rechten Winkel. Bereits sechs Minuten später gelang es der Kiezequipe sogar ihre Führung auszubauen. Der Unterhachinger Bernd Santl überwand, nach einer scharf hereingegebenen Flanke, den eigenen Torwart. 2:0 für den FC St. Pauli nach nur 18 Spielminuten. Was war bloß mit „unserer Gurkentruppe“ (Millerntor-Roar) los. Die Spieler konnten es auch kaum fassen, wollten aber nun beweisen, daß sie die vergangenen Jahre verkannt wurden und daß ihre wahre Stärke, anders als es die Kiezclublegende sagt, nicht im Kampf, sondern im spielerischen Vermögen liegt. Dieter Schlindwein etwa, ein Kicker, der sich bei vorigen Arbeitgebern Fansprechchöre wie „Alle spielen Fußball nur der Schlindwein nicht“ gefallen lassen mußte, versuchte sich in Hackentricks und anderen fußballerischen Kabinettstückchen. Doch Sao Paulo liegt in Brasilien und nicht auf dem Kiez. Das „grausame Gewürge“ (Seppo Eichkorn über diese Spielphase) brachte den Bayern den Anschlußtreffer (Lemberger 29. Minute). Das Spiel stand auf der Kippe. Wenn da nicht der in den letzten Spielen torgefährlichste Mannschaftsteil der Hamburger gewesen wäre: Die gegnerische Verteidigung. Thomas Zwingel vom Münchener Vorortclub sorgte in der 45. Minute durch ein Eigentor für den 3:1 Endstand. Die zweite Halbzeit war, bedienen wir uns einmal der Worte einer St. Pauli Hooliganesse, „für den Arsch“. Es passierte bis auf einen prächtigen Schuß von Klaus Ottens recht wenig.

Fünf Mal hat die Kunststoffkugel in den letzten beiden Spielen im gegnerischen Tor eingeschlagen. Dreimal war es ein Spieler der Gegenmannschaft, der Ottens, Manzi und Co um den individuellen Torerfolg brachte. Die bisher ob des miesen Tabellenplatzes mit dem Schicksal haderten, Präsident Heinz Weisener etwa, betrachten eine solche Fortune als „ausgleichende Gerechtigkeit“ für Spiele bei denen das Glück beim Gegner gesehen wurde. kader

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