: Kleiner Fortschritt in Südafrika
Nach einjähriger Zwangspause sollen die Allparteienverhandlungen vor dem 5. April wiederaufgenommen werden/ Noch zahlreiche Konfliktpunkte ■ Aus Johannesburg Willi Germund
Die südafrikanischen Allparteienverhandlungen sollen vor dem 5.April wiederaufgenommen werden. Diesen einzigen Beschluß der zweitägigen, 600.000 Mark teuren vorbereitenden Konferenz in Johannesburg feierten alle 26 teilnehmenden Delegationen zum Abschluß am Samstag als „großen Erfolg“. Oder, in den Worten Cyril Ramaphosas, des Generalsekretärs der Anti-Apartheid-Bewegung „African National Congress“ (ANC): „Der Beschluß gibt Südafrika einen Hoffnungsschimmer.“
Der Entscheidung war ein stundenlanges beckmesserisches Feilschen um technische Belanglosigkeiten vorausgegangen. Außerdem wurden einmal mehr große inhaltliche Unterschiede deutlich – zumal das Treffen von dem Versuch gekennzeichnet war, möglichst viele politische Gruppierungen an den künftigen Gesprächen zu beteiligen. So nahmen erstmals der linksgerichtete „Pan Africanist Congress“ (PAC) und die radikale weiße „Konservative Partei“ (KP) teil.
Die Konferenzteilnehmer vermieden alle Konflikte, indem die strittigen Punkte an das Vorbereitungskomitee für die Allparteienverhandlungen verwiesen wurden. Die Konservative Partei kritisierte, daß einmal mehr ihre Forderung nach einem Selbstbestimmungsrecht der Weißen in einem abgegrenzten Staat nicht diskutiert wurde.
Ein weiterer vorprogrammierter Konfliktpunkt: Sowohl der ANC wie auch die weiße Minderheitsregierung wollen die Vereinbarungen übernehmen, die im letzten Jahr vor Abbruch der Verhandlungen im Rahmen der „Konferenz für ein demokratisches Südafrika“ (CODESA) getroffen wurden. Die konservative Schwarzenbewegung Inkatha unter Führung des eigenwilligen Gatsha Buthelezi will davon jedoch nichts wissen. „CODESA ist tot“, erklärte ihr Vertreter Frank Mdlalose, schränkte aber ein: „Bei jedem Toten wird eine Obduktion gemacht, und vielleicht können wir dabei etwas Verwertbares finden.“
Inkatha kündigte außerdem an, daß sie sich nicht an einer Regierung der Nationalen Einheit beteiligen wolle. Diese soll laut einer Vereinbarung zwischen ANC und der Regierung von Staatspräsident Frederik Willem de Klerk gebildet werden, sobald Wahlen zu einer Verfassunggebenden Versammlung stattgefunden haben. Inkatha will Südafrikas neue Verfassung ohnehin nicht von gewählten, sondern von ernannten Vertretern ausarbeiten lassen.
Angesichts solcher teilweise tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten spielte bei der Vorbereitungskonferenz eine Frage eine besonders wichtige Rolle: Soll die Allparteienkonferenz Mehrheitsentscheidungen oder einstimmige Beschlüsse fassen? Die 26 Delegationen einigten sich auf die Formulierung „ausreichende Übereinstimmung“. Eine ebenso eigenwillige wie dehnbare Definition lieferte Ramaphosa: „Eine erzielte Übereinstimmung ist ausreichend, wenn sie ausreicht.“ Damit dürfte sichergestellt sein, daß ein Teil der weiteren Demokratisierungsgespräche mit der Diskussion verbracht werden wird, ob erzielte Verhandlungsergebnisse eine genügend breite Zustimmung gefunden haben.
Doch nach fast einjähriger Zwangspause und drei Jahre nachdem de Klerk das Ende der Apartheid ankündigte, scheint der Demokratisierungsprozeß in Südafrika nun endlich wieder vorangetrieben zu werden. Die letzte Allparteienkonferenz im Mai vergangenen Jahres scheiterte an den Forderungen des weißen Minderheitsregimes. Im August brach der ANC dann alle Kontakte zur De- Klerk-Regierung ab, nachdem bei einem Massaker in Boipatong 28 Menschen unter stillschweigender Duldung der Sicherheitskräfte kaltblütig ermordet worden waren. Obwohl sich Regierung und ANC mittlerweile über die Rahmenbedingungen des Demokratisierungsprozesses geeinigt haben, befürchten beide Seiten, „Spielverderber“ könnten nun den weiteren Verhandlungsprozeß torpedieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen