: Serbinnen dominierten Kongreß in Amsterdam
■ Eine Gegenveranstaltung zu Zagreb auf „neutralem Boden“
Amsterdam (taz) – Die Versuche von Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien, gemeinsam gegen die anhaltende Männergewalt in Kriegsgebieten vorzugehen, erweist sich auch auf neutralem Boden als schwierig. „Ich bin bestürzt über die Atmosphäre hier im Raum“, brachte Ellen Diederich vom „Internationalen Frauenfriedensarchiv“ in Oberhausen am Sonnabend in Amsterdam die Gereiztheiten von Frauen aus Serbien, Kroatien, Rest-Jugoslawien und auch seitens westeuropäischer Unterstützerinnen auf den Punkt.
Etwa 40 Frauen waren zum internationalen Frauentag der Einladung der niederländischen „Frauenorganisation 8.März“ in ein Amsterdamer Frauenhaus gefolgt, um dort die weitere Koordination von Hilfsprojekten zu diskutieren. Das Treffen, unterstützt von Gruppen wie „Terre des femmes“, den niedersächsischen „Grünen“ bis hin zur Frauen-Union der CDU- Langehagen, war Ende Januar aus Protest gegen das Frauentribunal in Zagreb geplant worden. An einem neutralen Ort sollte diskutiert werden, um keine Bevorzugung einer Kriegspartei durchklingen zu lassen und auch Serbinnen die Teilnahme zu ermöglichen.
Das Ergebnis war, daß diesmal die Serbinnen deutlich in der Überzahl waren; aus Kroatien war keine Frau erschienen. „Das liegt aber daran, daß sie so schnell kein Visum bekommen haben“, beeilte sich eine der Veranstalterinnen zu versichern. Immerhin, einige in Deutschland und Holland lebende Kroatinnen hatten sich auf den Weg gemacht.
Um mögliche Spannungen zu umgehen, stellten sich viele Rednerinnen nur namentlich vor. „Wir haben uns geeinigt, daß es nicht wichtig ist, wo wir herkommen. Wir sind alle als Frauen hier.“ Es war wohl nicht zu vermeiden: die Frage nach der Herkunft wurde immer wieder gestellt. Sticheleien blieben nicht aus. „Ich möchte beantwortet haben, ob die serbische Regierung zur Teilnahme aufgerufen hat“, wollte eine in Deutschland lebende Kroatin wissen. „Nein, wir sind persönlich eingeladen worden.“
Nach einigen Anfangsschwierigkeiten kam ein konstruktives Gespräch dann doch noch zustande. Verschiedene Frauen berichteten über Schwierigkeiten bei ihrer Arbeit im ehemaligen Jugoslawien. „Wie können wir euch helfen?“ wollten die überwiegend deutschen und holländischen Unterstützerinnen wissen. „Mit politische, beratender und ökonomischer Unterstützung“, war die einhellige Antwort. Die Koordinierung der Projekte sei ohne Telefonverbindung nach Zagreb oder Sarajevo so gut wie unmöglich. Im Aufbau oder schon bei der Arbeit seien im Moment Zentren für vergewaltigte Frauen sowie Krisentelefone. „Aber auch gynäkologische Krankenhäuser könnten Zehntausenden vergewaltigten Frauen helfen“, so eine Teilnehmerin aus Bosnien-Herzegowina.
Von allen Seiten verurteilt wurde der Mißbrauch der Vergewaltigungen als Kriegspropaganda. „Frauen sind in jedem Krieg vergewaltigt worden. Ich bin sehr skeptisch, warum Regierungen, die sich nie einen Deut um Frauenrechte geschert haben, sich plötzlich um Vergewaltigungen in Jugoslawien kümmern“, so die Londonerin Frauenrechtlerin Garon Philipps, die den Wirbel als „systematische Kampagne“ bezeichnet, die übersehe, daß es Opfer auf allen Seiten gebe. Am Ende des Treffens forderten die Frauen unter Applaus die UNO auf, die soeben eingerichtete, ausschließlich von Männern besetzte „Kommission zur Untersuchung von sexueller Gewalt im ehemaligen Jugoslawien“ umgehend aufzulösen. Diese Besetzung sei „beleidigend und unakzeptabel“.
Die anschließende Demonstration durch die Amsterdamer Innenstadt unter dem Motto „Frauenrechte – Menschenrechte – Stoppt die Gewalt gegen Frauen“ war ebenfalls serbisch dominiert. Parolen wie „Stoppt die Diskriminierung der Serben“, „Embargo gegen Serbien – unmenschlich“, „Wir sind serbische Frauen“ standen auf den meisten der Transparente. „Stoppen, stoppen“, intervenierten dann auch Niederländerinnen während der Kundgebung. Viele der ursprünglich etwa 5.000 Teilnehmerinnen verließen die Demonstration. Jeannette Goddar
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