: Bergkamener Bergarbeiter fühlen sich „verarscht“
■ Zechenschließung befürchtet/ Umweltminister Matthiesen biedert sich an
Bergkamen (taz) – „Wir fühlen uns seit Jahren von euch verarscht“, schleudert ein aufgebrachter Bergmann dem Redner entgegen. Und immer wieder „Lügner, Lügner“. Ein ohrenbetäubendes Pfeifkonzert und Buhrufe schlucken einen Teil der Botschaft, die Dr. Heiermann, Vorstandsmitglied der Ruhrkohle AG (RAG), den Belegschaftsmitgliedern der Bergkamener Zechen Monopol und Haus Aden zu verkünden sucht. Etwa 5.000 sind am Samstag in die Aufbereitungshalle des Bergwerkes Monopol gekommen. Meldungen über die drohende Schließung der Verbundzeche Mopopol/Haus Aden haben die Gemüter erhitzt. Daß ihr Bergwerk auf der Kippe steht, zu „den schwierigen gehört“, wie Vorstandsmitglied Heiermann sich ausdrückt, wollen die Männer nicht hören.
Die Ruhrkohle AG befindet sich wieder einmal am Rande des Abgrunds. Eine, nach den Worten von Heiermann, „dramatische Situation“, schlimmer als je zuvor. Drei Millionen Tonnen zusätzlicher Kapazitätsabbau seien „unvermeidlich“. Ob es am Ende tatsächlich die Bergkamener Verbundzeche, die mit gut 8.000 Beschäftigten die drei Millionen Tonnen pro Jahr fördert, trifft, steht dahin. Noch wird bei der RAG gerechnet.
Selbst der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE), Hans Berger, stößt auf Pfiffe und Kritik. Auch Berger räumt ein, daß wegen der Stahlkrise Überkapazitäten da sind, die „weg müssen“. Eine Zustimmung zur Stillegung in Bergkamen schließt der Gewerkschaftschef nicht rundweg aus. Ihn umzustimmen bedürfe es aber guter Argumente, die er im Moment nicht sehe.
Solche differenzierten Töne sind bei den Betroffenen nicht gefragt. Eins sind sie an diesem Samstag nur mit einem Redner – mit dem Düsseldorfer SPD-Umweltminister Klaus Matthiesen, der sich einmal mehr darin gefiel, seiner Klientel nach dem Munde zu reden. Die 5.000 in der Halle feierten ihn mit stehenden Ovationen. Matthiesen, örtlicher Landtagsabgeordneter und steter Streiter für die von Umweltschützern heftig bekämpfte Nordwanderung des Bergbaus in der Berkamener Region, will „nicht erleben, daß die Gegner der Nordwanderung jetzt siegreich aus der Auseinandersetzung hervorgehen“. Genüßlich zitiert Matthiesen aus RAG-Broschüren, in denen die Zeche Haus Aden noch 1988 als „eines der modernsten Bergwerke der Ruhrkohle AG“ bezeichnet wurde, das die Arbeitsplätze „für die nächsten Jahrzehnte“ sichern werde. Wenn jetzt von der kostenungünstigsten Zeche geredet werde, „könne man sich nur wundern“.
Neben den Kosten macht vor allem der hohe Schwefelgehalt der in Bergkamen geförderten Kohle der RAG zu schaffen. Um die hier geförderte Kohle überhaupt an die Kraftwerke verkaufen zu können, muß sie kostenträchtig mit weniger schwefelhaltiger Kohle gemischt werden. Das war allen Beteiligten immer bekannt.
Tatsächlich haben sich die Bedingungen für den deutschen Steinkohlebergbau dramatisch verschlechtert. 1985 wurden aus den deutschen Berkwerken noch 82 Millionen Jahrestonnen gefördert. Bis zum Jahr 2005, dies hat die sogenannte Kohlerunde 1991 festgelegt, soll die Förderung auf 50 Millionen Tonnen zurückgefahren werden. Trotz dieser immensen Reduzierung stieg der Subventionsbedarf ständig an. Verantwortlich dafür ist der Energiepreisverfall am Weltmarkt. Die deutsche Kohle liegt pro Tonne um etwa 220 Mark über dem Weltmarktpreis. Vor 10 Jahren beliefen sich die Beihilfen durch Staat und Bürger noch auf 2,5 Milliarden Mark. Inzwischen ist die 10-Milliarden-Grenze längst überschritten. Über diese Zahlen sagte Matthiesen kein Wort. Statt dessen dies: „Ich war solidarisch an eurer Seite, ihr wißt das, ich bin an eurer Seite, ihr merkt das, und ich verspreche, ich bleibe an eurer Seite.“ Nur wer die Zeche zahlen soll, das verschwieg der großzügige Freund. Walter Jakobs
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