Lustvolles Stänkern gegen Kohl

■ FDP und CSU beklagen den Zustand der Koalition

Berlin/Hamburg (AP/dpa) – Die Zeichen für Bundeskanzler Kohl und die Bonner Regierungskoalition stehen auf Sturm. Denn beide Koalitionspartner der Christdemokraten, FDP und CSU, haben am Wochenende massive Kritik am Erscheinungsbild der Regierung und ihrer mangelnden Entscheidungsfähigkeit geübt. Vor allem das CDU-interne Chaos hinsichtlich der Einführung von Autobahnvignette und beschlossener, aber wieder stornierter Mineralölsteuererhöhung hinterließ bei Liberalen und CSU keinen guten Eindruck.

So machte FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff vor allem die CDU für die Irritationen verantwortlich. In Jena sagte er auf dem Kleinen Parteitag der FDP, die Haltung der Unionsfraktion zu Autobahngebühr und Erhöhung der Mineralölsteuer richte sich nicht gegen die FDP, sondern gelte Kohl. Die Unionsabgeordneten wirkten seiner Ansicht nach an der „Beschädigung des eigenen Parteivorsitzenden“ mit. Und das wirke „ein bißchen wie Selbstmord aus Angst vor dem Tod“.

In Anspielung auf den Bruch der CDU/FDP-Koalition 1966 sagte er: „Vorsicht, Herr Kohl! Es riecht nach 1966, aber im Fraktionssitzungssaal der CDU/CSU, nicht in dem der FDP.“ Der FDP- Politiker forderte eine Rückkehr zu klaren politischen Verhältnissen und ein schärferes Profil der Bonner Koalition. Klare Entscheidungen blieben im „Kuddelmuddel“ der Gremien und Gesprächszirkel hängen, klagte er. „Wir brauchen wieder klare Verhältnisse. Die Bürger wollen und müssen wissen, was die Koalition will.“

Lambsdorff sprach sich außerdem entschieden gegen Steuererhöhungen aus und äußerte Zweifel an der wirtschaftlichen Kompetenz der Union. Er warnte, ein „einseitiges Aufkündigen von Beschlüssen durch einen Koalitionspartner gibt es nicht“.

Auch Waigel bezeichnete das Durcheinander um die Einführung einer Autobahnvignette als „Zumutung“, die das Vertrauen der Bürger in die politische Entscheidungsfähigkeit zerstöre. Zum Abschluß der zweitägigen Klausurtagung des CSU-Vorstandes in Wildbad Kreuth wollte der Bundesfinanzminister für dieses „ewige Hin und Her“ jedoch nicht den Bundeskanzler in die Pflicht nehmen. Es sei eine „Zumutung“ für den Kanzler gewesen, nach seiner zweiwöchigen Asienreise in die schlecht vorbereitete Angelegenheit „mit reingezogen“ zu werden. Die Verwirrung um die Verkehrspolitik sei allerdings typisch für das „diffuse Bild“, das die Koalition zur Zeit biete. Die Entscheidungsschwäche in wichtigen Fragen verunsichere die Bürger und sei mitverantwortlich für das Stimmungstief in der Bevölkerung. Notwendig sei eine deutliche Straffung der Entscheidungswege: „Wir können uns das ewige Hin und Her in der Meinungsbildung schlichtweg nicht mehr leisten.“ Für die weitere gemeinsame Arbeit verlangte der CSU-Chef weniger Sitzungen, weniger Gremien und ein strafferes Management.

Trotz neuer Vorwürfe gegen den bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl demonstrierte der CSU-Vorstand Geschlossenheit in der Amigo-Affäre. Alle Vorwürfe gegen Streibl wurden zurückgewiesen.

Bei den Liberalen in Jena wurde außerdem bekannt, daß der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Werner Hoyer, nach dem Willen von Bundesaußenminister Klaus Kinkel neuer Generalsekretär der Partei werden soll. Die Jungen Liberalen bedauerten, daß die Delegierten sich nicht zu der Forderung durchringen konnten, die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) aus der Liberalen Internationale auszuschließen.