: Farbenlehre aus dem hessischen Kaffeesatz
■ Was Hamburgs Politstrategen aus Hessens Wahlergebnis folgern können / Eugen Wagners neue Farbenlehre: Rot-Grün
folgern können / Eugen Wagners neue Farbenlehre: Rot-Grün
Der braune Urschleim des hessischen Kommunalwahlergebnisses trübt am Tag danach auch die Stimmung der sonst so um Hellsicht bemühten AnalytikerInnen der etablierten Hamburger Parteien. Für Aufregung sorgt das Ergebnis besonders deshalb, weil es erneut die wachsende Unzuverlässigkeit der Meinungsforscher demonstrierte: Die Lawine von Nicht- und Wechselwählern bekommen sie prognostisch kaum noch in den Griff.
Hessen-Botschaft Nummer 1: Laß den Infas-Wisch in der Schublade, orientier' Dich lieber an realen Wahlergebnissen, dem Grummeln im Magen und der scharfen Beobachtung allgemeiner Trends. Diese Trends, so schwant der Analytiker-Gilde, werden in Zukunft auch das einzigartige SPD-Hamburg erwischen. Es sei denn, Voscherau hält durch, und es wird erst 1995 nach der großen 94er Wahlorgie abgestimmt. Ob dann nicht vielleicht alles anders ist? Mit einem Regierungssprecher Reiner Pfeiffer etwa? Wäre da nicht
Hessen-Botschaft Nummer 2: Die Einheitswahl bedeutete nur ein kleines Intermezzo in einer Reihe hochstabiler Grundtrends: Die Volksparteien der Nachkriegszeit sind tot. Regierungen, egal welcher Couleur, kriegen eins drauf. Große Oppositionsparteien meist auch. Grüne und Rechte sind im Vormarsch. Nichtwählen ist mega-in. Bricht man diese Trends auf Hamburg hinunter, so sind die Ergebnisse bei aller Relativierung überraschend eindeutig: Die SPD wird spätestens 1995 abgewählt. Aber eine rechte Mehrheit in der Bürgerschaft ist nur denkbar, wenn die FDP fünf Prozent schafft und mit Reps und CDU eine schwarz-braun- gelbe Ampel installiert. Sackt die SPD auch nur annähernd so massiv ab wie in Hessen, ist auch rot-gelb tot, eine Variante, die viele Sozialdemokraten inzwischen generell ablehnen. „Mit Robert Vogel“, verlautet beispielsweise aus der Umgebung des Saga-Senators Eugen Wagner, „wird es niemals eine Koalition geben, solange ich dabei bin“. Wagner setzt dagegen auf Rot- Grün. Nur: Wie lange ist er noch dabei? Bis auf die Handelskammer, die eine große Koalition favorisiert, wächst im politischen Establishment die Bereitschaft für Rot- Grün. Selbst die scientologen- durchseuchte FDP setzt verzweifelt auf die Winz-Chance, sich als kleinster Partner einer Ampel an die Regierungströge zu schleichen. Auch die SPD-Führungsriege spielt gedanklich hinter verschlossenen Türen mit rot-grün — wäre da nicht
Hessen-Botschaft Nummer 3: Wenn Sozis mit Grünen koalieren, setzen die WählerInnen gleich auf das grüne Original. Die rechte Facharbeiterklientel dagegen bleibt dann noch lieber zuhause oder wählt Reps und CDU. Hier sieht sich Voscherau bestätigt, der vor allzu heftigen Flirts mit den Grünen warnt. Er will die „kleinen Leute“ mit rechter Politik in Sachen Asyl, Wirtschaft und Verkehr bei der Stange halten. Diese Kanalarbeiterpolitik soll eine „soziale Großstrategie“ ergänzen. Die Senatskanzlei bemüht sich gegenwärtig in Voscheraus Auftrag, aus dem Programm der „sozialen Brennpunkte“ ein politisches Konzept zu basteln, wenngleich die Zweifel überwiegen, ob das SPD-Urgestein so bei der Wahlurne und rep-frei gehalten werden kann. Bleibt
Hessen-Botschaft Nummer 4: Solange Regierungen Probleme nicht lösen, bleibt Politik ein Scheiß-Spiel. Durchlavieren ist angesagt — und das liegt etlichen Hamburger Politikern im Blut. Endlich eine Herausforderung, die man annehmen kann. Die Lehre aus Hessen: Augen zu und durch! Florian Marten
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