■ Butros Ghali und die UN-Bodentruppen: Er steht im Wort
„Mit der jüngsten Erklärung des UNO-Generalsekretärs, durch UN-Bodentruppen einen Rückzug der Serben zu erzwingen, ist eine militärische Intervention in Bosnien ein gutes Stück näher gerückt.“ So oder ähnlich könnte man die überraschende Äußerung Butros Ghalis am vergangenen Sonntag interpretieren. Doch genau so ist es falsch. Natürlich, der Generalsekretär hat angesichts des Zögerns und Zauderns der vergangenen Monate, angesichts seines ständigen Appeasements gegenüber der serbischen Eroberungspolitik, verbal nun zum erstenmal einen entscheidenden Schritt nach vorne gemacht. Doch es war eben nur verbal, nur diplomatisch. Da Ghali annimmt, daß der bosnische Präsident Alija Izetbegović inzwischen weitgehend zur Unterzeichnung des Vance/Owen-Plans bereit ist, möchte er verstärkt Druck auf Serbenführer Karadžić ausüben.
Aber selbst als diplomatische „Aktion“ ist die Äußerung, gefallen bei einem Interview eines ABC- Nachrichtenmagazins, ein Fehlschlag. Zum einen ist sie undifferenziert und daher unglaubwürdig: Während Ghali bisher stets ein militärisches Eingreifen abgelehnt hatte, macht er nun einen riesigen Sprung hin zu „Enforcement-Truppen“. Die bisher diskutierten Varianten, wie etwa die Einrichtung von UNO- Schutzzonen, erwähnt er gar nicht erst. Zum anderen, das wurde kurz nach dem Interview deutlich, ist sie zumindest mit der US-Regierung nicht abgestimmt worden: Verteidigungsminister Les Aspin jedenfalls bezeichnete den Vance/Owen-Plan als die „einzige Alternative“. Und er machte die diplomatische Niederlage Ghalis öffentlich: Obwohl der Generalsekretär eine Beteiligung der USA an den Bodentruppen für notwendig hält, war Aspen hierzu erst nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages bereit.
Doch auch die anderen Äußerungen rund um die Bodentruppen-Erklärung des Generalsekretärs zeigen, daß die UN weiterhin über kein schlüssiges Konzept zur Beendigung des Bosnienkrieges verfügen. In Brüssel warnte EG-Unterhändler Owen vor einer völligen Isolierung Serbiens, Bundesaußenminister Kinkel versteckte sich hinter den Äußerungen seines amerikanischen Kollegen. Die serbischen Politiker werden sich so wohl kaum unter Druck gesetzt fühlen. Gelingen könnte dem UN-Generalsekretär somit lediglich eines: mit seinem Überraschungscoup steigert er die eigene Unglaubwürdigkeit. Denn wenn die bosnische Regierung angesichts des Bodentruppenangebots tatsächlich den Friedensplan unterschreiben wird, steht er im Wort. Doch mit wem „erzwingt“ er dann den Frieden in Bosnien, woher nimmt er seine Divisionen? Sabine Herre
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