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Krise eines Demokratiemodells in Sambia

■ Die Verhängung des Ausnahmezustands durch die demokratische Regierung Chiluba ist Folge einer düsteren Wirtschaftslage/ Dürre und Auslandsschulden

Berlin/Lusaka (taz/dpa/IPS) – Seit Donnerstag herrscht in Sambia Ausnahmezustand. Für Außenstehende völlig überraschend, erklärte Präsident Frederick Chiluba, damit sei die Regierung einem geplanten Putsch der Opposition zuvorgekommen. Der Ausnahmezustand soll für vorerst sieben Tage gelten und dann notfalls vom Parlament für weitere 90 Tage verlängert werden.

Gleich nach der Verhängung des Ausnahmezustands wurden zehn prominente Oppositionspolitiker verhaftet, darunter zwei Söhne des ehemaligen Präsidenten Kenneth Kaunda, der Sambia von der Unabhängigkeit im Jahre 1964 bis 1991 regiert hatte. Sohn Wezi Kaunda, Sicherheitschef der einstigen Staatspartei „Vereinigte Nationale Unabhängigkeitspartei“ (UNIP), wurde festgenommen, dazu zwei ehemalige Minister – Ex-Außenminister Rupia Banda und Ex-Handelsminister Rabson Chongo – und weitere Mitglieder des UNIP-Zentralkomitees. Es erscheint wie eine späte Revanche Chilubas, der im Jahre 1980 als Vorsitzender des Gewerkschaftsdachverbandes von Kaunda ins Gefängnis geworfen worden war.

Die offizielle Begründung für die jetzigen Verhaftungen – nämlich angeblich von Iran und Irak unterstützte Putschpläne der UNIP – erscheint Beobachtern mehr als dürftig. Eher scheint Chiluba zu versuchen, wachsender Unzufriedenheit über die ausbleibende Verbesserung des Lebensstandards abzufangen.

Chilubas Wahlsieg Ende Oktober 1991 und die darauffolgende friedliche Machtübernahme setzte ganz Afrika ein Beispiel an Demokratisierung. Ungewohnt realitätsbewußt hatte Chiluba nach seinem Sieg die Sambier zu harter, ehrlicher Arbeit aufgerufen und gleichzeitig bekannt: „Die Regierung allein ist nicht die Lösung unseres Problems.“ Doch bereits im Juni 1992 trat Sportminister Baldwin Nkumbula zurück mit den Worten: „Die derzeitige Korruption und der Amtsmißbrauch dürfen nicht so weitergehen.“ Wenig später folgte mit derselben Begründung Erziehungsminister Akashambatwa Lewanika. Die Lokalwahlen im vergangenen November, erster Test für Chilubas Regierungsmannschaft, zeugten von der Enttäuschung der Bevölkerung: Die Wahlenthaltung betrug in vielen Regionen bis zu 90 Prozent.

Die Regierung hat sich nicht nur eigenes Versagen anzulasten. Die verheerende Dürre des vergangenen Jahres hat die Versuche einer Sanierung der Wirtschaft durch Reduzierung der Lebensmittelimporte konterkariert: 1992 sank die Agrarproduktion Sambias um 39,3 Prozent, die Inflationsrate lag bei 207 Prozent, und die Handelsbilanz wies ein Loch von 94 Millionen Dollar auf.

Auf einer Konferenz in Lusaka letzte Woche über die nationale Ernährungslage wurde die Agrarpolitik der Regierung heftig kritisiert. Die von der Weltbank entworfenen Reformprogramme würden den Anbau von Mais zugunsten von Exportgütern einschränken und „dem traditionellen Landwirtschaftssektor schweren Schaden zufügen“, meinte der Vorsitzende des Genossenschaftsdachverbandes, Greives Sibale. Die ganze sambische Kultur basiere auf dem Maisanbau, sagten Experten. Schon jetzt leide Sambia unter massiver Landflucht: Über 50 Prozent der neun Millionen Einwohner seien bereits in die Städte gezogen, um ihr Glück in den Kupferminen zu suchen – mehr als in jedem anderen Land der Region mit Ausnahme Südafrikas.

Wird der Ausnahmezustand nun auch das Vertrauen des Auslands gefährden, das Sambia bisher als Reformmodell mit großem finanziellen Wohlwollen bedacht hat? Bisher sind Reaktionen ausgeblieben. Noch gestern unterzeichnete die deutsche Regierung mit Sambia ein Abkommen, wonach Bonn etwa 135 Millionen Mark Schulden erläßt und dazu für etwa 290 Millionen Mark günstigere Rückzahlungsbedingungen festlegt. D.J.

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