: Zeitzeugnis oder Denkmal für Hitler-Jugend?
■ Ehemaliges NS-Jugendheim in Volksdorf soll unter Denkmalschutz gestellt werden / Gegner befürchten Nazi-Kultstätte
in Volksdorf soll unter Denkmalschutz gestellt werden / Gegner befürchten Nazi-Kultstätte
Heftiger Streit ist um den Plan des Denkmalschutzamtes entbrannt, ein ehemaliges HJ- und BDM-Heim aus der Nazizeit zu erhalten und zu schützen. Dem Amt geht es um die Erhaltung einer NS- typischen Architektur, Kommunal- PolitikerInnen und Verbände sehen in dem Vorhaben eine unkritische, dem Rechtsradikalismus Vorschub leistende Geste und befürchten eine neue Kultstätte für Neonazis.
Das Objekt des Streits steht in Volksdorf und wird heute als Kindertagesheim genutzt. Errichtet wurde der schmucklose Flachbau mit Satteldach zwischen 1936 und 1939. Das unauffällige Bauwerk diente während des Dritten Reichs als Unterkunft und Erziehungsstätte für die Hitlerjugend (HJ) und den Bund Deutscher Mädel (BDM).
Der Leiter des Denkmalschutzamts, Manfred Fischer, begründete gestern den Plan damit, daß Zeugnisse der Geschichte erhalten werden müßten. „Dabei betreiben wir Aufklärung statt Verherrlichung“ sagte er, denn „rechtsextreme Tendenzen konnten nur deshalb ungehindert wachsen, weil man lange diese Zeit verdrängte.“
Die ersten, die auf den Plan der Denkmalschützer negativ reagierten, waren der Stadtplanungsausschuß Wandsbek und der Ortsausschuß Walddörfer. Begründung: Durch die Unter-Schutz-Stellung könne eine Wallfahrtsstätte für Rechtsradikale geschaffen werden.
Die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN)/Bund der Antifaschisten“ schickte gestern ein offenes Fax an Kultursenatorin Christina Weiss. Der obersten Zuständigen für den Denkmalschutz wird darin „politische Instinktlosigkeit“ vorgeworfen. Der Landessekretär der VVN, Rolf Burgard, empörte sich gegenüber der taz, dann könne gleich „ein Grab von Rudolf Heß als Denkmal hingestellt werden“.
Gestern präzisierte Christina Weiss die behördliche Absicht. „Wir haben die Pflicht, mit Informationstafeln auf die Geschichte des Gebäudes hinzuweisen und damit im Nachdenken eine Distanz zu schaffen“, sagte sie.
Das offene Protest-Fax schickte die VVN auch der Jüdischen Gemeinde in Hamburg. Dessen Geschäftsführer Heinz Jaeckel sagte gestern, daß „der Meinungsbildungsprozeß noch andauert“. Man könne den Denkmalschutz für Gebäude aus der Nazi-Zeit grundsätzlich nicht unterbinden, doch auch er sieht die „Problematik darin, daß das Heim eine Kultstätte werden kann“.
Eine Entscheidung über die Unter-Schutz-Stellung wird erst im Mai gefällt. Dann nämlich wird der einberufene Denkmalrat, der aus HistorikerInnen, ArchitektInnen und Privatpersonen besteht, sein Votum dazu abgegeben haben. ab/dpa
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