Kaum Bonner Geld für KZ-Gedenkstätten

Aus dem Etat „Gesamtkonzeption für die Beteiligung des Bundes an den Gedenkstätten“ werden vorzugsweise die Berliner „Neue Wache“ und sowjetische Ehrenmale finanziert  ■ Von Horst Seferens

Berlin (taz) – Noch im März wird der Haushaltsausschuß des Bundestages voraussichtlich grünes Licht geben für einen derzeit noch gesperrten Titel im Etat des Innenministeriums, der sich vielversprechend „Gesamtkonzeption für die Beteiligung des Bundes an den Gedenkstätten“ nennt. Doch wenig bleibt übrig von dem, was ursprünglich gedacht war als Bekenntnis zur gesamtstaatlichen Verantwortung vor der Geschichte des NS-Regimes, seiner Opfer und seiner baulichen Überbleibsel.

Wie Gerd F. Trautmann, Referent in der Kulturabteilung des Bonner Innenministeriums, erklärte, werden die sieben Millionen Mark, die im Haushalt 1993 für Gedenkstätten vorgesehen sind, gerade dazu ausreichen, die Einrichtungen zu fördern, für die ausschließlich der Bund zuständig ist. Dazu gehören die Umgestaltung der Neuen Wache in Berlin zur zentralen Gedenkstätte, die pauschal „Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“ gewidmet sein wird, sowie Verbindlichkeiten des Bundes, die sich aus dem Artikel 16 des deutsch-russischen Freundschaftsvertrages ergeben. Darin verpflichtet sich der Bund, das Weiterbestehen der ehemals sowjetischen Gedenkstätten und Ehrenmale, die an den Sieg der Roten Armee über Hitlerdeutschland erinnern, zu gewährleisten. Die auf einen Vorschlag von Bundeskanzler Kohl zurückgehende zentrale Gedenkstätte an Berlins Prachtstraße Unter den Linden soll bereits am 14. November eingeweiht werden. Die weitgehende Wiederherstellung des Zustandes von vor 1933 wird etwa eine Million Mark kosten.

Da die Projekte, für die der Bund allein zuständig ist, Vorrang haben, kommt für „Fremdeinrichtungen“, so Trautmann, „im Augenblick gar nichts in Betracht.“ „Fremdeinrichtungen“ sind solche, die, wie die KZ-Gedenkstätten, der Kulturhoheit der Länder unterliegen. Besonders betroffen von der Bonner Sparpolitik ist das Land Brandenburg, auf dessen Territorium die Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück liegen. Wenn der brandenburgische Kultusminister Hinrich Enderlein (FDP) sage, der Bund beteilige sich zur Hälfte am Neun- Millionen-Etat der soeben gegründeten „Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten“, so sei dies ein „Etikettenschwindel“, wie Andreas Nachama, Gedenkstättenbeauftragter des Zentralrates der Juden, sagt. Denn die 4,5 Millionen Mark aus „Bundesmitteln“ im Stiftungsetat werden im Potsdamer Haushalt intern von den Mitteln, die Bonn im Rahmen des Substanzerhaltungsprogramms des Bundes an alle neuen Bundesländer zahlt, abgezweigt.

„Aus Gründen, die ich nicht ganz verstehe“, kommentiert Stiftungsdirektor Jürgen Dittberner das Bonner Finanzgebaren zurückhaltend, „ist der Bund für dieses Jahr zu einer institutionellen Förderung nicht bereit.“ Leer ausgehen werden auch die „Topographie des Terrors“ in Berlin, wo umfangreiche Baumaßnahmen anstehen, sowie das Berliner Holocaust- Denkmal. Ausnahmen bilden nur die Gedenkstätte Buchenwald, die 1993 mit drei Millionen Mark vom Bund gefördert wird, und die Wannsee-Villa in Berlin, wo der Bund mit 50 Prozent beteiligt ist.

Die Geschichte eines finanziellen Engagements des Bundes an den Gedenkstätten ist die einer, wie es scheint, unaufhaltsamen Schrumpfung. Nachdem ursprünglich vorgesehen war, das Förderprogramm auf das gesamte Bundesgebiet anzuwenden, scheint es nun darauf hinauszulaufen, daß es auf die neueren Länder beschränkt bleibt. Je nach Ausgestaltung des Konzepts wären Beteiligungszusagen in dreistelliger Millionenhöhe erforderlich geworden. Nachdem vom Haushaltsausschuß lange Zeit zu der Konzeption aus dem Hause von Innenminister Seiters (CDU) nichts zu hören gewesen war, fand Anfang Februar ein Gespräch mit den Berichterstattern der Regierungskoalition im Haushaltsausschuß statt. Dabei wurde die Konzeption des Innenministeriums wegen der allgemeinen Finanzsituation von den Haushaltspolitikern stark reduziert.

Nach dem augenblicklichen Diskussionsstand werden für die Förderungswürdigkeit zwei Bedingungen ausschlaggebend sein: Es kommen nur Einrichtungen in Betracht, die von herausgehobener Bedeutung sind und exemplarisch für einen bestimmten Verfolgungskomplex stehen. Darüber hinaus muß ein positives Gutachten einer vom Innenministerium berufenen Historikerkommission vorliegen. Das „Sitzland“, auf dessen Gebiet sich die Gedenkstätte befindet, muß mindestens 50 Prozent der Kosten selbst tragen. Es gehört keine große Phantasie dazu, sich vorzustellen, daß dieses Verfahren zu einem harten Verteilungskampf zwischen den Gedenkstätten führen wird.

Derzeit arbeitet die Regierungskoalition an einem eigenen Leitlinienantrag zu den Gedenkstätten, der im wesentlichen dem im November 1992 einhellig im Bundestag verabschiedeten SPD- Antrag entsprechen dürfte. Dort wurde die Verantwortlichkeit des Bundes für NS-Gedenkstätten im In- und Ausland und für Stalinismus-Mahnorte eingeklagt sowie eine Bundesbeteiligung an der Unterhaltung von bedeutenden inländischen Gedenkstätten in Höhe von bis zu 50 Prozent gefordert.

Während es im laufenden Haushaltsjahr ganz schwarz aussieht, sind die Aussichten für die im Umbruch befindliche Gedenkstättenlandschaft der neuen Länder für 1994 ebenfalls trübe. Angesichts der Haushaltslage könne man sich denken, so Trautmann, „daß der Bund bei Neufinanzierungen sehr restriktiv verfahren wird“. Stiftungsdirektor Dittberner stellt sich schon auf ein zähes Ringen ein: „Nächstes Jahr müssen wir dann wieder kämpfen.“