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Erste Abstimmungsniederlagen für Boris Jelzin

■ Chasbulatow eröffnet mit scharfer Rede den 8. Volksdeputiertenkongreß/ Stimmung gegen Abhaltung des Verfassungsreferendums

Moskau (taz) – Der russische Präsident Boris Jelzin gab sich vor Beginn der Sitzung des Volksdeputiertenkongresses außerordentlich zweckoptimistisch: „Fifty fifty“ stünden die Chancen, mit dem Parlament einen Ausgleich zu finden. Doch als sein ärgster Widersacher, der Parlamentsvorsitzende Chasbulatow, dann am Mittwoch morgen den Kongreß eröffnete, schlug dem Präsidenten ein scharfer Wind entgegen. Chasbulatow bezichtigte Jelzin nicht nur, gegen die Verfassung verstoßen zu haben.

Er hielt ihm sogar vor, offen einen Staatstreich vorzubereiten: „Wir sehen Versuche, die Wirtschaftsreformen durch die Suche nach neuen Feinden wieder in Gang zu bringen. Wir sehen schamlose Bemühungen, die Armee in den Prozeß hineinzuziehen.“

Chasbulatows Auftaktreferat war alles andere als ein Versuch, die anhaltende Krise zwischen Exekutive und Legislative auf friedlichem Wege beizulegen. Die erste Abstimmung offenbarte denn auch die Kampfstimmung der Parlamentarier. Jelzins Anliegen, nur über die Durchführung des für April anberaumten Referendums zu diskutieren, wurde mit einer klaren Mehrheit abgeschmettert.

Eine weitere Niederlage für Jelzin bedeutete der Beschluß, den Vorsitzenden des Verfassungsgerichtes, Waleri Sorkin, einen Bericht über verfassungswidrige Handlungen des russischen Präsidenten erstellen zu lassen. In dieser Angelegenheit zogen Chasbulatow und Jelzin sogar an einem Strang. Beide wollten den Punkt, der letztendlich zur Absetzung des Präsidenten führen könnte, von der Tagesordnung streichen. Andererseits mochten die Abgeordneten aber auch nichts von dem Antrag des Vorsitzenden der kommunistisch-nationalistischen Fraktion „Russische Einheit“, Sergej Barburin, wissen, der ein direktes Absetzungsverfahren gegen Jelzin einleiten wollte. Sein Antrag wurde nicht befaßt.

Im Hin und Her der Tagesordnungsdebatte schickte dann Chasbulatow seinen Stellvertreter Nikolai Rjabow in die erste Schlachtreihe. Der nahm dann auch kein Blatt vor den Mund und kritisierte scharf die Reformbefürworter: „Keiner hat bewiesen, daß der ökonomische Kurs der Regierung für das Land geeignet ist. Ich glaube tatsächlich, daß eine effektive Marktwirtschaft Unsinn ist.“

Die Stimmung im Parlament ist eindeutig gegen das Verfassungsreferendum gerichtet. Dazu haben nicht zuletzt die jüngsten Äußerungen des russischen Vizepremiers Schumeiko beigetragen. „Wenn das Parlament den Verfassungskompromiß ablehnt und das Referendum stoppt, wird der Präsident zu einer eigenen Abstimmung aufrufen.“ Die beabsichtigte Abstimmung hätte zwar keine verfassungsmäßige Gültigkeit, aber „die Resultate der Wahl werden dem Präsidenten freie Hand zum Handeln geben“.

Der Ausgang des Kongresses bleibt offen. Auf die Seite der Reformer schlug sich inzwischen jedoch auch Premierminister Tschernomyrdin. Er verlangte von den Deputierten, sie sollten ihre Macht über die Kontrolle der Wirtschaft abtreten. Der altgediente Apparatschik hatte bisher als Mann des konservativen, zentristischen Blocks gegolten. Klaus-Helge Donath

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