: Lindwurm in Hamburger Kiesgrube gesichtet
In Kettenhemd und Mönchskutte durch Wald und Wiesen: Das neue Hobby für Freizeit-Schauspieler heißt ■ Live-Rollenspiel
Im flackernden Licht der Petroleumlampen und Windlichter erkennt man mittelalterlich gewandete Frauen und Männer durch den finsteren Wald auf ein einsames Gasthaus zugehen. Verwegen aussehende Gestalten pirschen ihnen heimlich nach. Die Verfolger stehen im Dienst des grausamen Fürsten, der diesen Landstrich mit eiserner Faust regiert.
Diese Szene stammt nicht etwa aus einem neuen Robin Hood-Film, sondern aus einem Drehbuch für ein Live-Rollenspiel. Solche Wald- und Wiesentobereien für Twens
1mit nicht ausgelebten Kindergarten- Gelüsten erfreuen sich in den alten Bundesländern offenbar wachsender Beliebtheit.
Die TeilnehmerInnen eines Live- Rollenspiels kleiden sich möglichst originalgetreu in Mönchskutte und Kettenhemd — oder auch in Astronautenkluft. Für ein ganzes Wochenende oder länger schlüpfen sie dann schauspielernd ins Mittelalter, den Wilden Westen oder gar auf einen anderen Stern. Als Theaterbühne steht ihnen die ganze Natur zur Verfügung: Da werden, so wie es das Drehbuch erfordert, Kies-
1gruben zu gefährlichen Drachen- Höhlen, Autos zu holpernden Postkutschen oder Tiefflieger zu feindlichen Raumschiffen erklärt.
Das Alter der SpielerInnen liegt zwischen 20 und 30 Jahren. Die Gruppen bestehen meist aus StudentInnen, wie Clemens Schneitler, Medizinstudiosus aus Salzburg, der vor allem die rustikale Atmosphäre bei diesen Ausflügen schätzt.
Einen wichtigen Part bei diesen mehrere Tage dauernden Spektakeln übernimmt der Regisseur, dem die gesamte Organisation obliegt. Außerdem spielt er je nach Bedarf und im Rahmen eines vorher erdachten Drehbuchs die Rolle des verschlagenen Gastwirts, den liebestollen Barden oder den rauflustigen Außerirdischen.
Regelmäßige Treffen von Live- Rollenspiel-Gruppen gibt es nur in wenigen Städten , vorwiegend in den alten Bundesländern. InteressentInnen, die ihr heimatliches Altona, Eimsbüttel oder Uhlenhorst verlassen wollen und das Abenteuer suchen, finden nähere Informationen in „Oglughs Taverne“: In dieser Zeitschrift, der ersten im deutschsprachigen Raum, die sich nur mit Live-Rollenspielen befaßt, werden Ausschreibungen und Berichte veröffentlicht. Das Blatt bekommt man in den Geschäften „Drachenei“ (Winterhuderweg 110) und „Weltenesche“ (Beim Grünen Jäger 25). Dort sind auch Requisiten wie Kostüme, Kopfbedeckungen, Schnittmuster und Trinkhörner erhältlich. Lars Schiele
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