: Kaffee und Koran
■ Der türkische Buchladen Yol feiert seinen fünfjährigen Geburtstag / Ein Infoladen mit Buch-Schätzen im Schanzenviertel
feiert seinen fünfjährigen Geburtstag/Ein Infoladen mit Buch-Schätzen im Schanzenviertel
Die Musik dröhnt schon jetzt laut auf den Bürgersteig, das Schanzenviertel ist mit Einladungsplakaten geradezu tapeziert. Es ist nicht zu übersehen: Der türkische Buchladen Yol in der Schanzenstraße feiert seinen fünfjährigen Geburtstag.
Angefangen hatte alles 1988 mit einem Starthilfekredit von der Netzwerk-Selbsthilfe und einigen Illusionen. Doch die sind heute vorbei. „Die Lesequote von Türken und Türkinnen, Kurden und Kurdinnen ist total niedrig“, mußte Safo, einer der Yol-Leute, erkennen. „Die sind es zu Hause nicht gewohnt, zu lesen und fangen hier erst gar nicht an.“
Dabei lohnte sich ein Gang zum einzigen türkischen Buchladen Norddeutschlands durchaus. Denn neben unbekannten Schätzen, die selbst in der Türkei nicht zu haben sind, ist alles vertreten, was über die Türkei lesenswert ist, und zwar auf türkisch und deutsch: der Reiseführer Türkische Westküste ebenso wie Bücher über den Koran, Gedichtbände von Nazim Hikmet oder Yasar Kemals Mehmed, mein Falke. Selbst Stephen King-Übersetzungen fehlen nicht und sorgen dafür, daß wenigstens manchmal die Kasse klingelt.
Von den Einnahmen des Buchladens können die fünf Kollektivisten nicht leben, alle gehen „ordentlichen Berufen“ nach. Zudem wird Yol von den Büchervertrieben nicht ernst genommen. Weil der Laden weniger als 25000 Mark jährlich umsetzt, läuft der Buchvertrieb über befreundete linke Buchläden. Die politische Richtung ist Safo ganz wichtig: „Bei uns geht kein sexistisches oder faschistisches Buch über den Ladentisch“. Eine Einstellung, die schon diverse Male zu Angriffen rechter Türken auf die Verkaufsräume führte.
Auch wenn es beim Umsatz hapert, hat das Geschäft eine wichtige Funktion als Infobörse. So weiß Safo bestimmt, wo das türkische Gesundheitsgesetz in deutscher Sprache zu besorgen ist, auch Übersetzungshilfe für Flüchtlinge wird hier geleistet. Überhaupt wird Solidarität groß geschrieben. Weil die türkischen Bücher keiner Preisbindung unterliegen, werden schon mal Sonderrabatte für ärmere Kunden eingeräumt.
Nach fünf Jahren soll sich nun einiges ändern. Der Buchladen soll bleiben, zusätzlich sind verstärkt Veranstaltungen zu politischen Themen der Türkei geplant. Auch ein Café soll eingerichtet werden, „wenn wir endlich die passenden Räume dazu finden“.
Heute abend soll erstmal gefeiert werden: Die große Fete im Haus für Alle bietet Livemusik, Bauchtanz und Gesang. Am Sonntag zeigt das 3001-Kino den Film Lebewohl Fremde von Tevfik Basar. Zusätzlich sind alle türkischen und kurdischen Bücher bis Ende März um 25 Prozent ermäßigt. Martin Busche
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