: Playing Monopoly
■ In Atlanta sollen Straßen und Parks an Sponsoren verkauft werden, weil den Organisatoren der Olympischen Spiele Geld fehlt, doch der Stadtrat ist skeptisch
Atlanta (dpa) – Knapp 40 Monate vor Beginn der Olympischen Sommerspiele 1996 plant Atlanta den Total-Ausverkauf. Nach einer Idee des städtischen Marketing- Experten Joel Babbit sollen Straßen und Parks von Sponsoren gekauft und umbenannt werden können.
Bürgermeister Maynard Jackson verspricht sich von dem revolutionären Projekt Einnahmen in Höhe von 800 Millionen Dollar, die im Vorfeld der Spiele für die Verbesserung der Straßen und Renovierung einzelner Stadtteile verwendet werden sollen. „Das ist das Marketing-Konzept der Zukunft, weil wir die Stadt verschönern könnten, ohne die Steuerzahler weiter zu belasten“, meint Jackson euphorisch.
So will zum Beispiel eine Kreditkartenfirma (Visa) für drei Millionen Dollar das Recht erwerben, sich „offizielle Kreditkarte von Atlanta“ nennen zu dürfen. Pepsi-Cola könnte den North Boulevard am weltweiten Hauptsitz von Coca-Cola kaufen und ihn in Pepsi-Boulevard umtaufen.
Moralische Grenzen scheint es nicht zu geben: Selbst der Ku-Klux-Klan hat theoretisch die Möglichkeit, durch Namensänderung eines Stadtparks Werbung in eigener Sache zu machen.
„Wenn es so weitergeht, verkaufen wir noch unsere Seele“, sagte ein Sprecher des olympischen Organisationskomitees (ACOG). Die Würfel in diesem nichtalltäglichen „Monopoly“ sind allerdings noch nicht gefallen. Der ebenfalls kritische Stadtrat wird in den nächsten Wochen über das Konzept abstimmen.
„Mehr als dreißig Städte haben bei uns bereits nach diesem Plan gefragt“, sagte Jackson, „wir wollen doch nur die besten Spiele aller Zeiten veranstalten, und dazu braucht man eben Geld.“ Genau damit jedoch hat das ACOG große Probleme. Nach Schätzungen sollen die Spiele 1,4 Milliarden Dollar kosten, aber das Komitee muß immer wieder Bankkredite aufnehmen, um laufende Rechnungen zu bezahlen.
ACOG-Präsident Billy Payne, mit einem jährlichen Einkommen von 530.000 Dollar Spitzenverdiener seiner Organisation, hat im engsten Kreis sogar schon Befürchtungen geäußert, dem Privatunternehmen ACOG werde vor Beginn der Spiele das Geld ausgehen, und möglicherweise müsse dann Konkurs angemeldet werden. „Ich versuche seit dem Moment, als wir die Spiele zugesprochen bekommen haben, ein Diplomat zu sein. Aber meine Zunge wird vom vielen Abbeißen ständig kürzer“, sagte Payne.
Von der US-Regierung werden keine Zuschüsse erwartet, und auch die dringend nötigen Einnahmen durch den Verkauf der nationalen Sponsorenrechte für 40 Millionen Dollar an sogenannte „Partner“, die für dieses Geld Exklusivität in ihrer Branche garantiert bekommen, bleiben aus. Von zehn möglichen Firmen haben bisher erst fünf unterschrieben.
„Finanziell ist es nicht gut bestellt um das ACOG“, meinte Michael Lomax, Mitglied der Metropolitan Atlanta Olympic Games Authority, einer öffentlichen „Aufpassergruppe“ für das ACOG. „Das Problem ist, daß es zu wenig Einnahmen gibt und sich die OK-Mitglieder beim Ausgeben beherrschen müssen.“
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