■ Standbild: Zwei Pfeifen
Stern TV, RTL, Mi., 22.35 Uhr
Justus Frantz gehört zu jenen Typen des TV-Zeitalters, die vor allem als Medienfiguren existieren. Ihr kontingentes Medien- Dasein bedarf der permanenten Darstellung. Den Justus Frantz, selbst wenn er tatsächlich Klavier spielen könnte, gäbe es ohne Kameras und Mikrophone nicht: Ich werde interviewt, also bin ich.
Daß Menschen seines Schlages gute Manager brauchen, versteht sich. Ständig vermitteln sie ihren Schützlingen Show-Termine, wo sie leger über dies und das plaudern und ganz nebenbei für ihre Produkte werben können. Die Qualität der JournalistInnen, die ihnen dabei assistieren, erkennt man zumeist an der Lockerheit, mit der sie dem Publikum vorgaukeln, es handle sich um ein spontanes Gespräch. Unter diesem Aspekt betrachtet, ist Moderator Günter Jauch ein guter Journalist. Zwischen den Beiträgen des „Stern TV“-Magazins, die der Erwähnung nicht wert sind, gibt er seinem Gast die Gelegenheit zur Selbstdarstellung: Da reicht es, wenn Justus Frantz sich für die „Wiederaufforstung von Gran Canaria“ einsetzt (und seine Wohltätigkeitskonzerte für diesen hehren Zweck erwähnt), um den Ökologen im Künstler ans Licht zu bringen. Wenn das keine Herausforderung für Umweltschützer ist: Frantz verlangt, entsprechend der Kurtaxe auf Sylt, eine „Baumtaxe in Gran Canaria“.
Naßforsche Einlassungen des Musikers über seine Speichelleckereien bei Uwe Barschel (schließlich, so Jauch, war er Justus' „Freund“) wechseln sich ab mit Demutsbezeugungen gegenüber Björn Engholm. Aber nicht zuletzt ist Justus Frantz auch mit Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt „befreundet“, wie Jauch zu berichten weiß. Grund genug, dem Musiker ein allgemeines politisches Räsonnement zu gestatten, das bald selbst dem Moderator zu bunt wird. Seine müde Nörgelei über eine „in jeder Hinsicht diplomatische Antwort“ bügelt Frantz locker ab. „Nein! Menschliche Antwort“ sei der treffende Begriff. „Vielen Dank für den Moment“, flötet Jauch devot und kündigt den nächsten Beitrag an.
Am Ende gar verspricht Jauch „das instrumentale Outing von Justus Frantz“. Der Maestro erhält – weil ihn doch sein Schullehrer einmal als unbegabt bezeichnet hat – die Gelegenheit, ein Musikstück mit der Blockflöte einzuüben. Zum Schluß halten Günter und Justus im Studio steif ihre Flöten in der Hand und bringen – zweistimmig! ganz spontan! – ein Stückchen zu Gehör. Das Erstaunlichste daran: Keiner von beiden scheint sich zu genieren. Achim Baum
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