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Aufruhr auf den Inseln unter dem Winde

■ Niederländische Karibik-Kolonie St. Maarten gegen Inselrat und Den Haag

Berlin (taz/dpa) – Aufruhr auf Sint Maarten. Das Polizeigebäude im Hauptort Philipsburg ist besetzt; der Sitz der Inselregierung von einer aufgebrachten Menschenmenge umlagert; die wenigen Straßen mit Blockaden aus Traktoren unpassierbar gemacht. Von der Nachbarinsel Curaçao reist eine Sondereinheit der Polizei zur Verstärkung an. Es gibt Festnahmen. Die Rede von einer „Eskalation der Lage“ gelangt bis ins viele tausend Kilometer entfernte niederländische Fernsehen.

Seit Montag ist die Bevölkerung der winzigen Karibikinsel, ein Teil der „niederländischen Antillen“, nicht mehr zu halten. Sie fordert den Rücktritt des „Inselrates“ und mehr Unabhängigkeit von Den Haag. Heute treffen DemonstrantInnen die antillianische Ministerpräsidentin Maria Liberia-Peters zu einem Krisengespräch. Die Freilassung der sieben festgenommenen „Anführer“ ist ein weiteres ermunterndes Zeichen, auf das gestern bereits der Abbau der Barrikaden folgte. Doch der Versuch, eine zukunftsträchtige politische Regelung für die „Inseln unter dem Winde“ zu finden, ist vorerst gescheitert. Eine darauf abzielende Konferenz in Willemstad (Curaçao) ging gestern ohne irgendeine Einigung zu Ende. Der niederländische Justizminister Ernst Hirsch-Ballin nannte das Ergebnis „sehr enttäuschend“ und drohte damit, die Inseln unter Direktverwaltung der Haager Regierung zu stellen, falls in drei Monaten auch die Folgekonferenz scheitern sollte. Ziel des Treffens, an dem auch der niederländische Ministerpräsident Ruud Lubbers teilnahm, war eine Neuregelung des staatsrechtlichen Verhältnisses der fünf Antilleninseln (Sint Maarten, Sint Eustatius, Sabe, Bonaire, Curaçao) und Arubas untereinander und zum „Mutterland“. Lubbers will den Antillenverband auflösen, da sich die größte Insel, Curaçao, nach dem Vorbild Arubas schnell und vollständig von den anderen lösen will. Im Gegenzug will Den Haag die öffentlichen Ausgaben der Antillen und die „illegale Immigration“ kontrollieren und die Bekämpfung des Drogenhandels übernehmen. Die Vertreter Curaçaos und Arubas weigerten sich, diese Forderungen auch nur zu besprechen. Sie bezeichneten den niederländischen Vorschlag als „neokolonialistisch“. Den Haag vermutet, daß ein großer Teil der niederländischen Subventionen in den Privatschatullen des lokalen Inselrates verschwindet.

Ähnlich wie Den Haag hält auch die Opposition auf Sint Maarten den Inselrat für korrupt. Eine stärkere Einmischung von Den Haag lehnt sie jedoch ab.

Auf Sint Maarten leben rund zehntausend Menschen. Die niederländische Regierung schätzt, daß sich zusätzlich Tausende „illegale ImmigrantInnen“ aus Haiti auf Sint Maarten aufhalten. Das Gebiet liegt im nördlichen Teil der Kleinen Antillen, etwa 250 Kilometer östlich von Jamaika. Sint Maarten ist der südliche Teil einer knapp neunzig Quadratkilometer kleinen Insel, deren nördlicher Teil als Saint Martin zu Frankreich gehört und wie ein Departement verwaltet wird. Vertreter des französischen Inselteils fordern die Vereinigung der durch eine Zollgrenze geteilten winzigen Insel. Dorothea Hahn

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