„Achillesferse“ Drittstaatenregelung

Expertenanhörung des Bundestags zur geplanten Grundrechtsänderung beim Asyl/ Auch Befürworter sehen Ungereimtheiten und Lücken bei der geplanten Regelung  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Vier komplizierte Absätze sollen dem einfachen Verfassungssatz „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ künftig angefügt werden. Die Lösung, die der neue Artikel 16a vorschlägt, sei derartig radikal, meinte Verfassungsrechtler Ulrich K. Preuß, „daß von der Verheißung des Absatzes 1 nur sehr wenig übrigbleibt“. Preuß war zur gemeinsamen Anhörung von Innen- und Rechtsausschuß des Bundestages sowie der Verfassungskommission geladen.

Verwaltungsrichter und Verfassungsrechtler sollten die am 6. Dezember letzten Jahres zwischen Regierungsparteien und SPD ausgehandelte (und danach bereits einmal veränderte) Grundgesetzformulierung begutachten.

Ganz am Anfang hatte Walter Koisser, Vertreter des UN-Flüchtlingskommissars in der Bundesrepublik, der nationale Verfassungsdebatten von Amts wegen zurückhaltend beurteilt, dem Vorschlag ein denkbar schlechtes Zeugnis ausgestellt.

Koisser bemängelte die Definition des Flüchtlingsbegriffs und die vorgesehene Ausgestaltung des Drittstaatenkonzepts. Der UNHCR fürchtet, daß „die östlichen Nachbarstaaten nun ihrerseits bei der Drittstaatenregelung in Zugzwang geraten. Es droht so ein Domino-Effekt...“

Die Drittstaatenregelung, Herzstück des neuen Grundgesetzartikels, war in der Anhörung Gegenstand ausführlicher kritischer Würdigung, allerdings sehr unterschiedlicher Qualität. Als „Achillesferse“ bezeichnete sie Ralph Rothkegel, Richter am Bundesverwaltungsgericht. Es sei recht zweifelhaft, wenn die Verfassung zu illegalem Verhalten verleite.

Auch bei den Experten, die die vorgesehenen Verfassungsänderung billigten, war von Ungereimtheiten, der Gefahr von Lücken, handwerklichen Problemen die Rede. Verfassungsrechtler Edzard Schmidt-Jortzig hält sie für arg zweifelhaft, „wenn man den politischen Tageskompromiß“ in die Verfassung schreibt. Man versündige sich damit nicht nur an der Kultur der Verfassung, sondern auch an deren Systematik.

Daß der „verfassungsändernde Gesetzgeber“ allerdings berechtigt sei, das Grundrecht auf Asyl in der geplanten Weise einzuschränken, war für fast alle Juristen im Prinzip eindeutig. Der geltende Artikel 16 Absatz 2 Satz 2 gehöre nicht zu den unveränderlichen Beständen des Grundgesetzes.

Inwieweit sich die Mängelbefunde der Experten an den Rechtswegeverkürzungen noch auf das neue Recht auswirken, wird sich vor allem daran entscheiden, wieweit die Sozialdemokraten noch auf Klärungen bestehen. Am 24. März folgt eine weitere Anhörung, dann zu den Verfahrensgesetzen, die aus dem Dezember-Kompromiß folgen. In der zweiten Aprilhälfte sollen die umstrittenen Asylgesetze dann im Bundestag verabschiedet werden.