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Nachschlag

■ Lob der Bosheit – Zu einer Lesung von Lutz Rathenow

Wenn es so etwas wie einen subversiven Buddha geben würde, er müßte wohl aussehen wie Lutz Rathenow: unerschütterlich in seines Leibes Fülle ruhend, aus kleinen Augen spöttisch blinzelnd und unterkühlt-provokante Sätze auf die Welt loslassend. Es wird viel gestorben in seinem Grotesken- und Satirenband „Die lautere Bosheit“ (Maulwurf-Verlag Remchingen, 128 Seiten, 19,80 DM), und die Verblichenen sind zumeist „Regierer“, dümmlich und totalitär – und doch keineswegs bloß DDR-typische Gestalten. Die mittlerweile aufgetauchte Stasi-Expertise zu diesen in den achtziger Jahren entstandenen Texten brachte es auf den roten Punkt: „In surrealistisch unlogischer Form wird ein Programm der konterrevolutionären Brutalisierung abgewickelt.“

Führer sterben weg oder bringen sich selbst um, Putsche finden statt und Spitzel verlieren danach ihren Job. Daß diese Texte nicht wie der Uralt-Aufguß verflossener Zeiten und Kämpfe wirken, liegt an der Respektlosigkeit und erfrischenden Häme, mit der hier scheinbar ewig starre Verhältnisse durcheinandergewirbelt werden. Statt empörtem Pathos ein schiefer Blick nach oben, statt geistreichelndem Zynismus, der mit den Tätern kungelt, ein Weglachen von Diktatoren, dem die Einsicht folgt, daß auch ihre Untertanen nicht unbedingt nur edle Opfer sein müssen. Dieser „verleumdungsträchtige Realismus“ (Rathenow) war leider auch in der publizierten DDR-kritischen Literatur mit der Lupe zu suchen.

„Die Respektlosigkeit der Sinti und Roma vor den Plattenbauhäusern in Lichtenhagen ist normaler als der vorangegangene Stolz von DDR-Bürgern, in diese Elendshütten einziehen zu dürfen“: da wird ganz klar Position bezogen, ohne daß sich der pastorale Tonfall der Betroffenheits-Fabrikanten meldet. Rathenow, solch neuere Texte vortragend, war gespannt auf die Reaktion des Publikums, um so mehr es sich dabei um vorrangig publizistische Arbeiten handelte – die Satire als eindeutig interpretierbare Parabel, als geschlossener Text, sei mit dem Ende des geschlossenen Systems fragwürdig geworden. So könnte die „Lautere Bosheit“ durchaus Zeugnis für das Bewahrenswerte an der DDR sein: nämlich die Fähigkeit, diesen Staat in jedem Moment und ohne Zähneknirschen schleunigst zum Teufel zu wünschen.

Man darf gespannt sein, wie Rathenows neues Stück „Autorenschlachten“ aussehen wird; im Brecht-Haus trug er schon eine kurze Szene vor, die weder auf eine mit heißer Nadel gestrickte [Wie ich diese Floskel hasse! d. säzzer] Enthüllungsstory noch auf ein literarisches Rekapitulieren der Stasi-Debatte schließen ließ. Prenzelberg und Potsdamer Staatskanzlei dürften also beim wachsamen Blick auf eventuelle Schlüsselfiguren nicht so einfach fündig werden. Marko Martin

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