piwik no script img

■ Aus polnischer SichtRückschlag

Ist das notwendig, das alle Völker Osteuropas den Rückfall in Nationalismus, Populismus und Separatismus erleben müssen? Gibt es keine Möglichkeit, die Demagogen zu überstimmen und die enttäuschten Menschen zu Geduld und Anstrengung zu überreden? Trotz katastrophaler Folgen der deutschen Vereinigung für die Menschen in Ostdeutschland, sowohl auf der wirtschaftlichen als auch auf der psychologischen Ebene, können sie sich doch auf das Gerüst der westdeutschen Demokratie stützen und hoffen, daß sie das Schlimmste (bald) hinter sich haben. Sie können auch ihren Wohnsitz verlegen – nach Westdeutschland, in die EG, bald wahrscheinlich auch nach Österreich. Viele Osteuropäer, die sich gen Westen bewegt haben, wie Tausende Russen oder Ukrainer, die nach Polen wanderten, sind nicht mehr bereit, in ihre Heimat zurückzukehren. Polen hat auch kaum Möglichkeiten, sie auszuweisen. Die Deutschen können jedoch und werden ihre neuen Gesetze bald benutzen, um den Tschechen und den Polen ein paar Hunderttausend Dauerbesucher zu bescheren. Das Domino-Prinzip wird aktiviert: Die Tschechen werden die Grenze zu den Slowaken sichern, die Polen schirmen sich von den Ukrainern und Russen ab.

Regionalentwicklungsprojekte werden scheitern, wie das in den Karpaten zwischen Polen, der Ukraine und der Slowakei. Angesichts des allgemeinen Rechtsrucks in Polen und in Rußland sehen sich die Staatspräsidenten beider Länder beispiellosen Offensiven der rechten und populistischen Kräfte gegenüber, die bei allen Unterschieden eines gemeinsam haben – sie wollen die demokratischen und konstitutionellen Prozeduren umgehen und die Macht übernehmen, das heißt, sie handeln nach den erprobten Mustern der Bolschewiki, die ihrem Wesen nach Konterrevolutionäre gegen die Februarrevolution waren.

Wieder einmal sind die Westeuropäer die wichtigsten Verursacher dieser Misere: wenn sie sich entschließen würden, den Unfug der Serben entschieden militärisch zu unterbinden, würden auch andere Möchtegern- Diktatoren mit ihren nationalistischen Kampagnen ein wenig leisertreten und ein starkes, zum Frieden und zur Zusammenarbeit entschlossenes Europa könnte auch viele WählerInnen im Osten überzeugen, daß der Fremdenhaß und die Fremdenangst nur Instrumente der Versklavung sind. Piotr Olszowka

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen