: Intervention? Ja oder nein?
■ betr.: "Mit Bosnien stirbt Europa",(pro) "Eine gefährliche Illusion", (contra) taz vom 16.2.93
[...] Ich kann das abwartende Verhalten, der Linken, der Grünen, der Friedensbewegung und der Weltöffentlichkeit nur als Appeasement-Politik auf Kosten täglich gefolterter und gequälter Menschen empfinden. [...] Es bedarf einer gestuften, ernsthaften äußeren Einmischung, die in ihrer Strategie über die klassischen Hilfsmittel militärischer Strategien hinausgehen sollte (wie es sich bei Schmidt-Eenboom, Starnberg, finden läßt). Damit wäre ein Ausweg aus dem Strategiedefizit der Militärs als auch aus dem völlig blockierten Diskussionsstand der Friedensbewegung möglich, der der geänderten weltpolitischen Situation gerecht wird. (Dazu würde auch die Anerkennung eines supranationalen Gewaltmonopols durch die Friedensbewegung gehören.)
Ich meine, den fortgesetzten Folterungen der Serben müßte baldmöglichst folgen: 1.militärische Durchsetzung des seit langem völlig unglaubwürdigen Handelsembargos durch Bombardierung aller Transportwege. 2.Währungssanktionen: Einzug serbischer Auslandsguthaben und Verwendung zur Wiedergutmachung der Kriegsfolgen. Sperrung aller Kredite. 3.Elektronische Sanktionen: Stören aller Tele- und Massenkommunikationsmittel Serbiens, Störung militärischer Funkkommunikation, Störung von Radaranlagen, Flughäfen und C3-I-Zielen (bis hin zu begrenzten elektromagnetischen Pulsen). 4.Chemotechnische Sanktionen: Einsatz von Schlafgasen, materialaufweichenden Chemikalien z.B. gegen Gummi von Flugzeug- und Fahrzeugreifen, Mikrobenlösungen zur Zersetzung von Treibstoffen. 5.Militärische Ausschaltung technischer Energiesysteme durch Abwurf von Sprengsystemen mit Kohlefaserverbindungen mit Kurzschlußwirkung (zuerst der serbisch widerrechtlich angeeigneten Landstriche; in der Folge bis hin zur Ausschaltung der technischen Infrastruktur des zivilen Serbiens). 6.Erreicht werden sollte nicht eine militärische Absicherung einer nicht vorhandenen „Friedenslösung“, vielmehr wäre primär eine „Zwangsabrüstung der Militärpotentiale“, eine Räumung aller widerrechtlich besetzten Gebiete, Wiedergutmachung und Verurteilung der Kriegsverbrecher und erst im Anschluß daran eine zivile politische Rekonstruktion von Lebenszusammenhängen. 7.Hierzu wäre notwendig: die sofortige Einsetzung der Kriegsverbrechertribunale und geheimdienstliche Durchsetzung der rechtskräftigen Urteile. 8.Der Abbruch aller nationalen Beziehungen zu Kriegsverbrechern wie Serbenführer Karadžić und Milošević, deren Verhaftung und Verurteilung. Ein Ultimatum einer sofortigen Entwaffnung und Kapitulation der serbischen Armee sowie aller militärischer Verbände in der Region. 9.Andernfalls, als letztes Mittel, militärische Ausschaltung der Verantwortlichen durch gezielte Bombardierung militärischer und politischer Führungszentralen. 10.Langfristiges Ziel dieser Strategie der militärischen Zwangsabrüstung in anderen Krisenregionen müßte die Durchsetzung der Menschenrechte auch als weltweit geltendes Recht sein. Dr.med.Joachim Flügel,
Frankenhardt
betr.: „Mit Bosnien stirbt Europa“, (pro) „Eine gefährliche Illusion“, (contra) taz vom 16.2.93
Seit Anfang des Jahres macht sich Bremens Umweltsenator Fücks stark für „eine Eingreiftruppe unter UN-Kommando, an der sich auch Freiwillige der Bundeswehr beteiligen sollten“. Die Senatorin/ Ministerin Trüpel, die Europaabgeordnete Eva Quistorp und die Grünen-Landtagsabgeordneten Kuhn und Mützelburg satteln noch eins drauf, indem sie die „sofortige Erkämpfung des Zugangs zu allen Konzentrationslagern und die Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien fordern“.
Nach dem Hamburger hat der Bremer Landesvorstand wichtige pazifistische Positionen gegen die eigenen Grünen-Minister und -Parlamentarier klargemacht: „Deutsche Soldaten haben auch bei Blauhelmeinsätzen im ehemaligen Jugoslawien nichts verloren, auch wenn uns die Welt (in Form des UN-Generalsekretärs) dazu auffordert. Dies verbietet die deutsche Geschichte...“ Die Bremer Grünen – wie auch wir Mitglieder der Deutschen Friedensgesellschaft – schlagen nur zivil-friedliche Maßnahmen vor, wenn auch das Morden und Vergewaltigen in uns Wut, Haß und Hilflosigkeit hochkommen lassen.
Die DFG-VK unterstützt bereits Deserteure, für die sie unbefristetes Asyl fordert. Der Visumzwang für Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien muß fallen. Die BRD muß mehr als die bisherigen 10.000 Kontingentflüchtlinge aufnehmen. Statt für deutsche Kampftruppen zu „mobilisieren“, sollten ein Bremer Senator und seine Ampelkollegen endlich Rüstungsproduktion in Zivilproduktion verwandeln und Waffenexporte über Bremens Häfen radikal verbieten. [...] Für die DFG-VK Bremen:
Dr.Ernst Busche,
Joachim Fischer,
Wieland von Hodenberg
Militärisches Eingreifen, also Eingreif- oder Kampftruppen in fremde Länder einzusetzen beendet nicht automatisch einen Krieg. Sie können zum Anheizen und zu noch mehr Leid – vor allem unter der Zivilbevölkerung – führen. Wer garantiert, daß der Einsatz – auch deutscher – Kampftruppen im ehemaligen Jugoslawien nicht in einem mörderischen Guerillakrieg endet? Ich meine, andere kluge und pazifistische Handlungen sind nötig: Stopp aller Waffenexporte (auch an unseren Grenzen), Hilfsgütersendungen, Tribunale für Kriegsverbrecher, Unterstützen der Friedensgruppen auf dem Balkan.
Ralf Fücks hat früher Kasernen, wie zum Beispiel die Garlstedter vor den Toren Bremens, mit blockiert, heute verabschiedet er sich selbst mit seiner Forderung „Bundeswehr nach Bosnien“ aus der Friedensbewegung. Aus dem einstigen „Grünen-Querdenker“ ist leider ein Senator geworden, der quer zu grünen, gewaltfreien, zivilen Ideen denkt. Ich begrüße es, daß der Hamburger Landesverband und der Bremer Landesvorstand nicht den Auffassungen einiger ihrer Politiker wie Eva Quistorp, F.W.Grafe zu Baringsdorf, Helga Trüpel und Ralf Fücks gefolgt sind und die fundamentalen Grünen-Positionen von Gewaltfreiheit festgeschrieben haben. Eva Böller, Bremen
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