piwik no script img

Kritik unerwünscht

■ Siemens entzieht Kritiker das Wort

München (dpa/taz) – Der Aufsichtsratsvorsitzende der Siemens AG, Heribald Närger (69), schloß seine Amtszeit an der Spitze des größten deutschen Elektrokonzerns mit einem Eklat. Auf der letzten von ihm geleiteten Hauptversammlung entzog er dem Siemens-Kritiker, dem Würzburger Universitätsprofessor Dr. Ekkehard Wenger, am Donnerstag abend nach kurzer Vorwarnung mitten in dessen Vortrag über die Abschaffung des Mehrstimmrechts für die Familie Siemens das Wort. Eine Antwort zu dem Thema, das zu einer Erweiterung der Tagesordnung geführt hatte, gab es weder vom Vorstand noch vom Aufsichtsrat. Aktionäre sprachen von einem Skandal und dem Versuch, „kontroverse Meinungsäußerungen abzuwürgen“.

Närger hatte zu Beginn der zehnstündigen Aktionärsaussprache am Donnerstag für Aufsehen gesorgt, als er mit Hinweis auf die Satzung und einer ordnungsgemäßen Durchführung den anwesenden 4.300 der insgesamt 583.000 Siemens-Aktionäre mitteilte, daß sie sich nur einmal zu Wort melden könnten.

Wenger, der 40 Minuten reden konnte, sprach von großem Interesse des Auslands an der Diskussion über das Mehrfachstimmrecht der Familie Siemens. Die Gründerfamilie des Elektrokonzerns hält über eine Zwischengesellschaft 1,65 Prozent als Vorzugskapital, das sich notfalls versechsfachen läßt. Wenger sieht den Skandal darin, daß sich die Depotbanken, bei denen die Summe der Kleinanteile liegt, für die Beibehaltung der Mehrstimmrechte ausgesprochen haben.

Am späten Abend repräsentierten die noch anwesenden Aktionäre ein Siemens-Kapital von 1,4 Milliarden DM, rund 50,5 Prozent des Gesamtkapitals. Für Wengers Vorschlag, das Privileg der Familie Siemens abzuschaffen, wurden 819.732 Stimmen gezählt – 27,04 Millionen Stimmen oder rund 97 Prozent waren dagegen. Es war aus Sicht der Siemens-Verwaltung das schlechteste Ergebnis der Abstimmungen, die ansonsten über 99 Prozent Zustimmung ernteten.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen