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Keine Alternative zur Empörung

■ „Machtspiele“ – Literatur und Staatssicherheit im Prenzlauer Berg. Eine Lesung

Große Scheinwerfer eines Fernsehteams tauchten den Raum in gleißend helles Licht. Dicht an dicht drängten sich die Menschen, rangen um einen der besseren Plätze, von dem sie die Podiumsteilnehmer sehen konnten. Stasi- Vergangenheit sollte in der „literaturWERKstatt“ aufgearbeitet werden. Die Herausgeber Peter Böthig und Klaus Michael stellten ihren bei „Reclam Leipzig“ publizierten Band „Machtspiele“ vor, der nicht nur die Stasi-Verquickungen mit der Literaturszene vom Prenzlauer Berg, sondern auch die mit den kirchlichen und politischen Oppositionsgruppen aufarbeiten will.

Zentral sei es für sie gewesen, meinte Böthig, die Erfahrungen und Erinnerungen der Menschen am Aktenmaterial des MfS zu überprüfen. Dabei habe sich gezeigt, daß „die Wahrheit der Akten eine relative Wahrheit“ sei, da die Stasi vor allem an strafrechtlich verwertbarem Material interessiert gewesen wäre. Die ästhetisch- avantgardistischen Konzepte der Literaten habe man im MfS nie begriffen, trotz aller Spitzeldienste. Die Staatsschützer seien ein „Opfer ihres Weltbildes“ geworden, das in der DDR keinen „gesellschaftlichen Widerspruch“ anerkannte und sie deswegen ständig nach westlichen Einflüssen fahnden ließ.

Aus der Sicht der Stasi war der Prenzlauer Berg eine „Simulation des Westens“. Diese Fixierung auf den Westen habe bereits 1962, wie Wolfgang Ullmann später ergänzte, dazu geführt, daß Peter Huchel als Leiter von Sinn und Form abgesetzt worden sei: Seine Literaturzeitschrift wurde im Westen positiv bewertet, also konnte sie für den Osten nicht gut sein.

Seit der Biermann-Affäre versuchten die DDR-Behörden – das heißt nicht nur die Stasi – massiv zu verhindern, daß sich künstlerische oder politische Oppositionsgruppen formieren. Klaus Michael forderte deshalb auch, den Blick von der „Spitzelebene weg, hin zu denen, die Entscheidungen trafen“, zu wenden. Nicht von den IM, sondern auf ZK-Sitzungen und im Apparat wurde entschieden, die Freiräume der nicht organisierten Schriftsteller einzuschränken oder Spitzel anzuwerben. Erst daraufhin erstellte Sascha Anderson sein 43seitiges Dossier, in dem er der Stasi vorschlug, wie seine Kollegen unter Kontrolle zu bringen seien. Ein davon inspiriertes Konzept der Stasi sah die „Dezentralisierung“ der Dichter vor: Uwe Kolbe sollte in die VR Jemen, Katja Lange in die Mongolei geschickt werden.

Bemerkenswert zurückhaltend äußerten sich Herausgeber und Autoren zur moralischen Wertung der „Verräter“. Gabi Dietze wehrte sich bloß gegen die „neokonservative Literaturkritik“, die mit ihrem rasenden Gefasel von der „Gesinnungsästhetik“ den freien intellektuellen Fall ins Bodenlose probe. Sicher ist auch richtig, daß „die Arschloch-Perspektive nicht ausreicht“, wie Böthig meinte, aber eine Alternative zur Biermann-Empörung boten weder er noch die anderen Diskutanten an.

Dem von der Scheinwerferhitze und den langatmigen Vorträgen zermürbten Publikum fiel am Ende keine einzige Frage mehr ein, so daß eine „peinliche Panne“ den Schlußakzent setzte: In dem vorgestellten Buch ist das Anderson-Dossier vollständig abgedruckt, wobei Autoren namentlich genannt werden, die nicht genannt werden wollten. Die Herausgeber entschuldigten sich zerknirscht – nicht ausgeschlossen, daß die Auslieferung des Buches per einstweiliger Anordnung gestoppt wird, falls Verlag und Autoren sich nicht gütlich einigen. Daniel André Haufler

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