: Das schwarze Loch kommt immer näher
■ Ökologische Gefahr bei Betrieb und Einstellung des Braunkohletagebaus
Brandenburg.„Und steht der Bagger vor der Tür, wir gehn nicht weg. Wir bleiben hier“, steht mit ordentlichen Buchstaben an das kleine Gemeindehaus von Horno geschrieben. „Seit 1977 haben wir mit der Braunkohle zu leben und zu kämpfen“, sagt Klaus Richter, ehrenamtlicher Gemeindevertretervorsteher des Lausitzer Dorfes. Nach der derzeitigen Planung wird sich der Braunkohlebagger bis zum Jahr 2017 bis nach Horno gefressen haben. „Die meisten jungen Leute sind weggegeangen, hier gibt es ja auch nicht mehr viel“, meint Richter. Aber für viele der älteren HornoerInnen sieht die Situation anders aus. Sie sind nach dem Krieg aus Polen geflüchtet. „Inzwischen können sie ihre alte Heimat in Polen besuchen. Wenn wir aus Horno vertrieben werden, dann können wir nie wieder zurück. Dann ist hier nur noch ein großes Loch“, erklärt der Gemeindevertretervorsteher.
Einige Kilometer weiter ist das Loch bereits. Etwa 200 Meter tief und ebenso breit ist der Krater. Die Abhänge sind schwarz und vom Regenwasser zerfurcht. Tag und Nacht wird die schwarze, klebrige Masse mit großen Schaufeln herausgeholt. Dann wird die Kohle auf Waggons verladen und ins Kraftwerk gebracht. Was nach der Verbrennung übrig bleibt, wird wieder in das Loch gekippt. So wird Meter für Meter das gesamte Gebiet umgegraben. Wenn der Bagger weiterzieht, bleibt nichts als Wüste zurück.
Neben der Verladestelle, am Rande des Kraters liegt das Dorf Groetsch. „Hier wohnen noch 65 Menschen“, sagt Peter Sohst, Mitarbeiter des Brandenburger Umweltministeriums. „Bisher haben sie sich erfolgreich gegen eine Umsiedlung gewehrt.“ Guckt man rüber nach Groetsch, das nur durch eine schmale Schallschutzwand vom Tagebau getrennt ist, fragt man sich, ob dies so ein großer Sieg ist. Der Bagger wird sich außen um das Dorf fressen. Groetsch liegt dann wie eine Halbinsel im schwarzen Loch.
Ganz in der Nähe steht das Kraftwerk Jänschwalde, Hauptabnehmer der Braunkohle aus Groetsch. Es wird gerade umgerüstet. 4,5 Milliarden Mark kostet die neue Rauchgasentschwefelungsanlage. Wenn 1996 die sechs 500 Megawatt-Blöcke wieder ans Netz gehen, stellt sich die Frage: wohin mit dem Strom? Die Industrie der Region ist gestorben. Die Brandenburger Regierung setzt auf Berlin als großen Abnehmer für Strom und Braunkohle. Die Berliner Energiepolitik jedoch zielt auf weitgehende Selbstversorgung mit Strom.
An der Braunkohle hat diese kein großes Interesse. Es gibt Pläne für ein neues großes Kraftwerk in Ahrensfelde bei Berlin. Hier könnte die Kohle aus der Lausitz verbrannt werden. Vom Wirkungsgrad und von der Kohlendioxid-Bilanz wäre es aber schlauer, ein Gas-Kraftwerk zu bauen. Dennoch ist es nicht ganz unwahrscheinlich, daß sich Berlin bereit erklärt, einen Teil der ungeliebten Kohle abzunehmen. In den Verhandlungen um die Vereinigung von Brandenburg und Berlin zu einem Bundesland ist schon über ein Tauschgeschäft verhandlt worden: Wenn Berlin Kohle aus Brandenburg kauft, darf Berlin dort Müll abladen.
An der Kohle hängen Arbeitsplätze. Nachdem fast alle anderen Betriebe Pleite gemacht haben, ist die Braunkohle der letzte große Arbeitgeber in der Region. Nach den neuesten Planungen der Lausitzer Braunkohle AG (LaubAG) blieben im Jahr 2010 von den ehemals 130.000 Arbeitsplätzen nur noch 20.000 übrig. Diesen Prozeß wolle man natürlich nicht noch beschleunigen, heißt es.
Auch ökologisch ist ein Ausstieg aus der Braunkohle gar nicht so leicht. Seit 1950 wurden 9,5 Milliarden Kubikmeter Wasser aus den Abraumlöchern abgepumpt. Das abgepumpte Wasser wird zum großen Teil in die Spree geleitet. Stoppt man den Tagebau, so legt man damit die Spree trocken. Dann würde auch in der Berliner Region der Grundwasserspiegel sinken und die Trinkwasserversorgung der Stadt wäre in Gefahr. Auch der Spreewald, Ausflugsziel Nummer eins, würde austrocknen.
Schon jetzt reicht das Grubenwasser nicht aus, um den Wasserstand des Flusses zu sichern. Es wird deshalb Oderwasser in die Spree gepumpt. Je weiter der Braunkohlebergbau zurückgeht, desto mehr Oderwasser wird benötigt. Das Oderwasser ist jedoch sehr phosphathaltig. Wird es in großen Mengen umgeleitet, werden auch die Seen um Berlin überdüngt – es muß also eine Kläranlage her. Die Berliner können nicht weiter den Kopf in den Müggelsee stecken und so tun, als würde sie die Braunkohle nichts angehen. Julia Gerlach
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