Entscheidende Entlastungen für die neuen Länder

■ Trotz einer für sie akzeptablen Bilanz mußten die Ostländerchefs vor allem beim Länderfinanzausgleich, in den sie ab 1995 einbezogen werden, Abstriche machen

Die „Solidarpakt“-Verhandlungen haben für die neuen Bundesländer zwar nicht die Summe gebracht, die man sich erhofft hatte, aber mit dem Ergebnis können die Länderchefs leben. Abstriche mußten sie vor allem beim Länderfinanzausgleich machen, in den sie ab 1995 einbezogen werden. Statt der geforderten 78 Milliarden Mark erhalten die neuen Länder 55,8 Milliarden Mark. Den Löwenanteil mit knapp 51 Milliarden trägt der Bund, die Westländer übernehmen 4,9 Mrd. Mark. Der Fonds Deutsche Einheit, der den neuen Ländern helfen soll, die Zeit bis zum Finanzausgleich zu überbrücken, wird für 1993, wie von den Ministerpräsidenten der Länder Ende Februar in Potsdam beschlossen, um 3,7 Mrd. aufgestockt. Dadurch kann die Finanzierung in etwa auf dem Niveau der beiden vergangenen Jahre (knapp 35 Mrd.) gehalten werden. Eine Fragezeichen steht allerdings noch hinter der Auffüllung des Fonds für 1994. Angepeilt sind 10 Mrd., darüber, wer wieviel beisteuert, werden die Finanzminister erneut beraten. Die Bundesregierung wird einen Beitrag von 5,35 Milliarden in die Verhandlungen einbringen. Die alten Länder wollen prüfen, wieviel sie über die bereits zugesagten 3,5 Milliarden hinaus zusätzlich übernehmen können.

Durchsetzen konnten sich alte und neue Länder mit ihrer Forderung nach der Umverteilung der Mehrwertsteuer zwischen Bund und Ländern. Die Länder erhalten künftig 44 Prozent des Anteils statt wie bisher 37 Prozent und können damit ab 1995 17,5 Milliarden Mehreinnahmen verbuchen.

Eine ganz entscheidende Entlastung erzielen die neuen Länder auch durch die Neuverteilung der Schulden aus den zu DDR-Zeiten vergebenen Wohnungsbaukrediten. Die Länder hatten die Übernahme des Schuldenbergs, der bis Ende dieses Jahres auf knapp 52 Milliarden Mark anwachsen wird, grundsätzlich abgelehnt. Die Länder übernehmen nun maximal 150 Mark Schulden pro Quadratmeter, der Betrag jenseits dieser Kappungsgrenze wird dem Erblastenfonds hinzugefügt, für den der Bund aufkommt. Die neuen Länder werden damit um 31 Milliarden Mark entlastet. Die Zinsen für 1994 und 1995 übernehmen Bund und neue Länder je zur Hälfte. Mit der Übernahme des größten Teils der Schulden durch den Bund wird der Weg frei für die notwendigen Sanierungsmaßnahmen.

Zur Instandsetzung und Modernisierung von Wohnungen in Ostdeutschland wurde außerdem beschlossen, das Programm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) um 30 Milliarden auf 60 Milliarden Mark aufzustocken. 10 Milliarden davon werden für die Verbesserung der Plattenbauwohnungen eingesetzt. Die Zinsen dafür werden um drei Prozent verbilligt. Für die übrigen 20 Milliarden gilt eine Zinsverbilligung um zwei Prozent. Außerdem werden der private Wohnungsbau und die Modernierung von Altbauten in Ostdeutschland weiter gefördert. Die Möglichkeit, Investitionen in den ersten fünf Jahren zu 50 Prozent abzuschreiben, wird um zwei Jahre verlängert.

Zur Sicherung der industriellen Kerne und zur Beseitigung ökologischer Altlasten sollen „zusätzliche Anstrengungen“ unternommen werden, heißt es in der abschließenden Erklärung. Zu diesem Zweck wird der Kreditrahmen der Treuhandanstalt erweitert. In der Frage, inwieweit der Absatz von Produkten aus den neuen Ländern gefördert werden kann, beispielsweise durch eine Mehrwertsteuerpräferenz für Ostprodukte, wurde jedoch kein Beschluß gefaßt.

Wie er das Loch, das die Beschlüsse in seine Kasse reißen wieder füllen soll, wird Bundesfinanzminister Waigel noch Kopfzerbrechen bereiten. Ausgabenkürzungen und der Abbau von Steuersubventionen sollen dem Staat neun Milliarden Mark bringen. Weitere Einsparungen wird eine Arbeitsgruppe von Bundes- und vier Länderfinanzministern prüfen und entscheiden. Den Löwenanteil soll die Erhöhung der Vermögenssteuer bringen. Hier wird allerdings gleichzeitig der Freibetrag von 70.000 auf 120.000 Mark heraufgesetzt. Insgesamt sollen dem Bund ab 1995 28 Milliarden zusätzlich zur Verfügung stehen.

Einsparung durch Bekämpfung von Leistungsmißbrauch

Auf folgende Einsparungen haben sich Koalition, SPD und Länder bereits geeinigt: Durch die Bekämpfung von Leistungsmißbrauch sollen 1993 550 Millionen Mark eingespart werden. Für 1994 werden 1,77 Milliarden und für 1995 1,84 Milliarden veranschlagt. Die Kürzung der Sozialhilfe bei Asylbewerbern bringt in den nächsten beiden Jahren je 200 Millionen Mark. Beim Wohngeld werden 1993 16 Millionen und in den beiden darauffolgenden Jahren je 70 Millionen eingespart. Abgespeckt wird auch in der Landwirtschaft. Hier werden ab 1993 jährlich 235 Millionen Subventionen gestrichen. Bei der Kokskohle werden 1995 300 Millionen Mark gestrichen. Auch beim öffentlichen Dienst wird der Rotstift angesetzt: Der Bund will sein Personal um ein Prozent verringern, die Öffentlichkeitsarbeit wird um zehn Prozent gekürzt. Einen Beitrag leisten auch die Beamten und Soldaten. Durch das Streichen von Sonderzuschlägen können 1994 100 Millionen Mark und 1995 das Doppelte gespart werden.

Der Arbeitsmarkt in Ostdeutschland wird durch die zwei Milliarden Mark entlastet, die der Bund für eine aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung stellt. Damit können nach Angaben von Arbeitsminister Blüm in Ostdeutschland 225.000 und in Westdeutschland 20.000 ABM-Stellen geschaffen werden. Blüm wies darauf hin, daß die vom Bund bewilligten zwei Milliarden doppelt so viel seien, wie die Landesarbeitsminister und die Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeit in der vergangenen Woche gefordert hatten. Blüm sprach sich dafür aus, die Mittel ausgegelichen zu verteilen. Das „Zugriffsverfahren“, bei dem der die Mittel bekommt, der sich zuerst meldet, solle nicht angewandt werden. Auch zwischen den Länderchefs besteht weitgehend Einigkeit, daß die zusätzlichen Mittel direkt an die Länder und nicht an die Bundesanstalt verteilt werden sollten. Ende März wollen sich die Ministerpräsidenten darauf verständigen, welche ABM- Zahl jedes Land benötige. Dorothee Winden