: Ärzte für Busspuren
■ Autoabgase: Senat legt "Kat-Konzept" auf Eis / Ärztekammer fordert Busspuren in der Innenstadt
Berlin. Ende letzten Jahres hatte Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) vorgeschlagen, wie Berlin die dramatische Schadstoffbelastung des Kraftfahrzeugverkehrs in einem ersten Schritt vermindern könne: Ab Januar 1994 sollten nur noch Autos mit Katalysator kostenlos innerhalb des S-Bahn-Rings fahren. Hassemer versprach sich von diesem Schritt vor allem eine Minderung der Benzolbelastung. Der im Benzin und Super enthaltene Stoff löst Blutkrebs aus. Doch nun ist das Konzept endgültig vom Tisch. Fahrzeuge mit Katalysator sollten frühestens im nächsten Jahrzehnt bevorteilt werden, sagte der Sprecher der Verkehrsverwaltung, Tomas Spahn, gestern der taz. Grund: Die Ostberliner wären sonst unverhältnismäßig stark benachteiligt, da sie mehr ältere Wagen — also ohne Kat — fahren als die Westberliner.
Die Ärztekammer fühlt sich nun in ihrer Kritik bestätigt, daß das Kat-Konzept „von Anfang an Schaumschlägerei“ gewesen sei. Schon bei der Präsentation sei klar gewesen, daß mit der Kontrolle des Verkehrs ein unheimlicher Aufwand verbunden gewesen wäre, sagte Bernd Köppl, Vertreter der Ärztekammer. Außerdem wäre die Schadstoffbelastung kaum vermindert worden, so der Umweltmediziner, weil für die etwa 1,2 Millionen Bewohner innerhalb des S-Bahn-Rings Ausnahmegenehmigungen gegolten hätten.
Die Ergebnisse der vor über einem Jahr vorgestellten Studie der Umweltverwaltung zur Schadstoffbelastung durch den Kraftfahrzeugverkehr seien allerdings so dramatisch, daß sie nicht länger hingenommen werden können, sagte Köppl, der neben seiner Funktion bei der Ärztekammer auch das Bündnis 90/Grüne im Abgeordnetenhaus vertritt. In den in der Hassemer-Studie aufgeführten sechs Schadstoffminderungsgebieten — in etwa die Innenstadtbezirke — müßte sofort das Busspurnetz erheblich erweitert werden.
Die Verkehrsverwaltung ist gegen diesen Vorschlag. Um die Luftverschmutzung durch den KFZ-Verkehr zu mindern, setze sich Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) für eine bundesweit gestaffelte Erhöhung der Mineralölsteuer ein, berichtete sein Sprecher Spahn. „Schmutzige“ Treibstoffe wie bleihaltiges Benzin sollten stärker besteuert werden als andere.
Weitere Überlegungen zur Schadstoffminderung werden möglicherweise im April der Öffentlichkeit vorgestellt. Eine auf Grund der Hassemer-Studie von den Senatsverwaltungen für Gesundheit, Umwelt und Verkehr gegründete Arbeitsgruppe werde dann ein erstes Zwischenergebnis vorlegen, kündigte Spahn an. Doch „ehrlich gesagt“, so Spahn, sehr viel Konkretes gebe es nicht.
Umweltsstaatssekretär Lutz Wicke (CDU), maßgeblicher Befürworter des Kat-Konzeptes, kritisierte die SPD. Innerhalb der Partei hätten die Ostberliner Abgeordneten das Konzept verhindert. „Es ist nicht nur der böse Haase“, sagte Wicke. Dirk Wildt
Siehe auch Bericht Seite 20
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