piwik no script img

Freunde für Sterbende

■ Das Lazarus-Diakoniewerk bietet einen Kurs zur Sterbebegleitung an / Auch die letzte Phase des Lebens ist es wert, gelebt zu werden / Konzept für ein Hospiz

Wedding. „Während meiner Ausbildung habe ich den Tod eines alten Mannes miterlebt. Da ist mir aufgefallen, daß ich mit diesem Ereignis nur sehr hilflos und unsicher umgehen konnte“, sagt eine junge Frau auf dem Informationsabend zu Kursen für ehrenamtliche Sterbebegleitung im evangelischen Lazarus-Kranken- und Diakonissenhaus. Der einzige Mann hat die Ankündigung bei einer Bekannten gesehen und sich spontan zur Teilnahme entschlossen. „Mit dem Sterben habe ich mich bisher nicht auseinandergesetzt, wohl mit Jenseits-Vorstellungen.“ Eine Teilnehmerin möchte sterbenden Menschen vermitteln, daß es mit dem Tod nicht vorbei ist. „Als meine Eltern vor acht Jahren gestorben sind, habe ich mich für sie gefreut. Ich wußte, es geht ihnen jetzt besser.“

„In dieser Gesellschaft gibt es keine Zeit und keinen Ort zum Sterben. Sterbende, die ,austherapiert‘ sind, werden in Krankenhäusern in die Arztzimmer oder auf den Flur geschoben.“ Diese Erfahrung hat Pastor Wolfgang Weiß schon im Rettungsdienst gemacht, mit dem er sich sein Studium finanzierte. Nach dem Tod seiner Mutter verbrachte er ein halbes Jahr im Londoner Christopherus-Hospiz.

„In einem Hospiz liegt der Akzent auf dem Leben. So kurz diese Spanne sein mag, sie ist eine Zeit, die wert ist, gelebt zu werden. Sie kann gestalterisch genutzt werden, etwa um Dinge auszusprechen, die schon lange gesagt sein wollten“, sagt Weiß. Dazu brauche es Zeit, Freiräume und eine geduldige und verständnisvolle Begleitung. „Die Einsamkeit ist die größte Bedrohung für einen Sterbenden.“ Im Hospiz werde versucht, dies zu ermöglichen. Es solle keine Möglichkeit sein, Sterbende auf bequeme Weise abzuschieben. Die Angehörigen sollen im Gegenteil angeleitet und ermutigt werden, sich auf die Begleitung einzulassen.

„Ein Hospiz braucht auch ehrenamtliche Helfer, Menschen, die von außen kommen. Sie sind das Tor zur Welt für Sterbende, deren Lebenswelt sich auf Station, Zimmer und schließlich Bett beschränkt“, so Weiß. Sie sollten nicht als Lückenbüßer Aufgaben des Pflegepersonals übernehmen. „Ehrenamtliche Helfer sind Freunde für Sterbende“, sagt Christa Prechtl, die Projektleiterin Hospiz des Lazarus-Diakoniewerks. „Sie können das tun, was Freunde füreinander tun können: zuhören, dasein, eine Zeitung besorgen, vorlesen oder mal einen Behördengang erledigen.“ Sie erleichtern den Angehörigen so die Konzentration auf den Patienten.

Der Kurs, den das Diakoniewerk ab Ende April anbietet, beginnt mit einem Einführungskurs acht Arbeitseinheiten und einem gemeinsamen Wochenende. „In diesem Kurs geht es um das richtige Wahrnehmen der Situation und der Gefühle des Sterbenden, um aktives Zuhören und Gesprächsführung“, erläutert Prechtl. Auch eigene Emotionen wie die Angst vor dem eigenen Tod, Verlusterfahrungen und Trauerarbeit kämen zur Sprache. In einem halbjährigen Praktikum begleiten die TeilnehmerInnen Sterbende und treffen sich alle zwei Wochen. Im Vertiefungskurs wird geübt, die letzte Phase des Lebens als Chance zu einer Lebensbilanz zu sehen und den Sterbenden dabei zur Seite zu stehen. „Es zeigt sich, daß in dieser Zeit unerledigte Geschäfte und Schuldgefühle hochkommen. Wir glauben, daß wir als Christen, die wir von der Vergebung leben, da etwas anzubieten haben“, sagt Prechtl. Die TeilnehmerInnen sollten sich im Anschluß an die Ausbildung als ehrenamtliche Helfer in dem geplanten Hospiz betätigen. „Dabei ist weniger ein großer Zeitaufwand wichtig als die Kontinuität der Begleitung. Ein Sterbender muß sich auf seinen Begleiter verlassen können.“

Das Konzept für das Hospiz, das das evangelische Lazarus-Diakoniewerk gründen will, ist bereits fertig und vom Senat genehmigt. Auch der Bau neben dem Mutterhaus in der Bernauer Straße soll im Sommer bezugsfertig sein. „Unklar ist nur die laufende Finanzierung. Da stehen wir in Verhandlungen mit den Krankenkassen“, sagt Prechtl. Corinna Raupach

InteressentInnen können sich noch anmelden, Tel: 46705272.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen