Der Fluch der Inkas Von Thomas Pampuch

Die 500-Jahr-Feiern und -Veranstaltungen sind vorbei, Südamerika ist aus dem Denken und Gedenken Europas wieder weitgehend verschwunden. Ab und zu mal eine Bombe in Medellin oder Lima, das reicht im Jahr 501 nach Kolumbus als Information. Ein Subkontinent ist wieder in der Rubrik Vermischtes gelandet, nachdem das „Zusammentreffen der Kulturen“ ein Jahr lang abgefeiert worden ist. Auch der Papst kann sich nicht andauernd um alles kümmern. Heuer muß er zuförderst Abtreibungen in Bosnien verhindern. Was er vor genau 460 Jahren in den Anden auch getan hat. Womit wir beim Gedenken wären. Und beim Vermischten.

1533 war ein Jahr, das Südamerika umstülpte. Am 15. November 1532 war Pizarro mit seinen 180 Leuten und 60 Pferden in Cajamarca angekommen und hatte den Inka Atahualpa gefangengenommen. Fast ein Jahr lang hielt er ihn in der Stadt, hoch in den Anden gelegen, als Geisel gefangen. Aus allen Teilen des vom inner-inkaischen Bürger- und Bruderkrieg verwüsteten Landes schleppten die Noch-Untertanen Atahualpas Edelmetall zur Auslösung ihres Herrschers nach Cajamarca. Trotz seiner Gefangenschaft gelang es Atahualpa, seinen Halbbruder und Gegen-Inka Huascar umbringen zu lassen. Auch Cusco, das Zentrum der Huascar-Partei (in der Pizarros Kommen übrigens freudig begrüßt worden war), wird von den Spaniern in Besitz genommen. 1533 bricht Pizarro sein Wort. Atahualpa wird in einem Scheinprozeß verurteilt und mit der Garotte — auf den Namen seines Bezwingers Francisco getauft — in die christliche Hölle geschickt. Pizarro heiratete eine Schwester Huascars, Francisca Pizarro y Yupanqui, und hatte mit ihr vier Töchter. Die meisten anderen Konquistadoren taten es Pizarro gleich und zeugten mit den zahlreichen Inkaprinzessinnen Kinder. Den verehrten Prinzessinnen gelang es freilich nicht, den einsetzenden Massenmord und die Ausbeutung von Millionen Indianern zu verhindern.

Das heißt also, daß die Nachkommen der Inka-Führungsschicht und die der Konquistadoren heute oft identisch sind. Das heißt aber auch, daß die Forderung nach einem neuen Inkareich — wie sie manche Indianerbewegungen dort und manche schwärmerischen Solidaritätsgruppen hier stellen — wenig mit der Befreiung der südamerikanischen Indianer zu tun hat. Die Inkaherrschaft war ein diktatorisches und imperialistisches System, das zwar bestimmt nicht von den Richtigen, aber doch zu Recht gestürzt wurde. Es lohnt sich nie, einem Imperium nachzutrauern. Und schon gar nicht, es erbfolgetechnisch wieder restaurieren zu wollen. Die Quetschuas (das Volk der Inkas) und all die anderen schon von den Inkas unterdrückten Indianervölker brauchen nichts weniger als einen neuen Atahualpa oder Huascar. Und schon gar keinen neuen Pizarro.

Ein Scherzbold hat in einer bolivianischen Zeitung, einen gewissen Killmann, ein braves Mitglied der (fast) weißen Oberschicht in La Paz, als genealogisch rechtmäßigen Inka ausgeguckt. Daß der auch deutsches Blut habe, würde ihm den Umgang mit Charles, Juan Carlos, Konstantin usw. nur erleichtern. Wenn das nichts für die Rubrik Vermischtes ist.