: Ein Gerechter
■ „Perlasca“ von Nina Gladitz – Hommage an einen, der Juden rettete
Der italienische Geschäftsmann Giorgio Perlasca beteiligte sich im Oktober 1944 in Budapest an Rettungsaktionen für Juden, die die spanische Gesandtschaft auf internationalen Druck hin organisierte. Nachdem der spanische Botschafter sich abgesetzt hatte, erklärte sich Perlasca zu seinem Nachfolger. Der ehemalige Spanienkämpfer auf der Seite Francos mietete Häuser für seine Schützlinge an, stellte Schutzbriefe aus und rettete insgesamt mindestens 8.300 Menschen vor Eichmann und dessen Schergen. Nach dem Krieg geriet er in Vergessenheit. Spanien benutzte seine Taten fürs internationale Renommée; seine Person aber störte. Erst Ende der achtziger Jahre wurde er in Italien, Ungarn, Israel und in den USA geehrt.
Nina Gladitz hat eine cineastische Hommage für Giorgio Perlasca schaffen wollen, die quer liegt zu den Genres von Dokumentar- und Spielfilm. An seinem 80. Geburtstag, den er im Kreis seiner Familie in einer gemieteten venetischen Villa feierte, wurde der Jubilar von Amelia (Amelia Ingles- Fernandez) ausgesucht. Deren Mutter wurde – soweit die Fiktion – als Kind zusammen mit ihrem Zwillingsbruder von Perlasca gerettet. Die Begegnung zwischen beiden währte nur einen Nachmittag. Während dieser Zeit erzählte Perslaca über das Grauen von Budapest und über sich selbst. Durch die Begegnung mit der jungen Frau schloß sich der Kreis zum Jahr 1944: Amelia überreichte Perlasca die Kerne jenes Apfels, die er den Kindern unmittelbar, nachdem er sie in seinem Wagen geborgen hatte, geschenkt hatte. Die Milde des Ambientes konstrastierte scharf mit dem mörderischen Inferno, von dem Perlasca berichtete. Er sprach von der blutrot gefärbten Donau bei Budapest, während beide an einem Kanal saßen, dessen Wasser gemütlich dahintrieb. Bei solchen Szenen wird die Luft eng in dem Schutzraum, den die zarte vorsichtige Begegnung der beiden zwischen der barbarischen Vergangenheit und der grausamen Gegenwart an der Donau und ihren Nebenflüssen hat entstehen lassen. Das Grauen hält außerdem Einzug in die zweite Ebene des Films: Eine Abfolge von Schwarz-Weiß-Fotos gibt zurückhaltend den Blick frei auf Perlascas Erinnerungen. Mit der Technik langer Belichtungszeiten und der schweifenden Kamera sind Bilder von „Vanishing Presence“ entstanden, die nur schemenhaft von der Angst, den Stationen des Mordes, der Rettung, von Hoffnung und der Gegenwart sprechen. Da sind Einstellungen aus dem Spanischen Bürgerkrieg, die von Goya inspiriert sein könnten; Eisenbahnschienen in Budapest, ein Bild der geretteten Kinder, das an Ernst Barlachs „Die Fliehenden“ erinnert. Ehemals von Perlasca betreute Häuser in Budapest werden mit tanzenden Jugendlichen heute kontrastiert; auch Symbole des jüdischen Lebens im Budapest der Gegenwart sind zu sehen. Nina Gladitz ist es gelungen, ein lebendes Denkmal zu schaffen. Die Veranstalter der Berlinale indes lehnten es ab, ihren Film in das diesjährige Programm aufzunehmen. Dies mag nachvollziehen, wer will. Giorgio Perlasca ist am 15. August 1992 verstorben. Martin Forberg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen