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■ Das PortraitM.-F. Stirbois

„Dreux“ klingt häßlich. Denn für viele Franzosen verbindet sich mit dem Namen der kleinen Stadt im Südwesten von Paris ein erschreckendes Ereignis: der Durchbruch der Front National. In Dreux hatten bürgerliche Politiker 1983 erstmals mit den zuvor unberührbaren Rechtsextremen paktiert und sie wählbar gemacht. Die Liste der FN wurde damals von Jean-Pierre Stirbois angeführt. Als er 1988 bei einem Autounfall starb, kämpfte seine Frau Marie-France allein weiter und schaffte den Durchbruch: Sie siegte 1989 bei einer Nachwahl mit 61% der Stimmen und zog als einzige FN-Abgeordnete in die Nationalversammlung ein.

Der stets adrett gekleideten, blonden Frau sieht man an, daß sie nicht in der tristen Provinzstadt groß geworden ist. Sie stammt aus dem Pariser Nobelvorort Neuilly, wo sie auch heute noch ein Appartement besitzt. Vielleicht hat es die Einheimischen beeindruckt, daß sich die Dame derart engagiert um ihre Probleme kümmert. Dabei kennt Stirbois nur ein Allheilmittel: Kampf den Einwanderern.

Die nahe gelegenen Fabriken von Renault und Peugeot haben in den letzten 30 Jahren Tausende von Maghrebinern, Afrikanern und Asiaten in die früher rein ländliche Stadt gelockt. Sie leben eingepfercht in den typischen Wohnsilos, wo sich die Problemkette Arbeitslosigkeit, Armut, Ausgeschlossensein, Randale, Kriminalität entwickelt hat.

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Foto: Facelly/Sipa Press

Erstaunlicherweise kommt die Frau jedoch auch in den umliegenden Landgemeinden gut an, wo es keine immigrés gibt. Sie höre den Bauern zu und spreche mit ihnen über einfache Dinge, wie Familie und Kindererziehung, erklärt sie ihren Erfolg. Ihr sozialistischer Gegner Roger Bambuck sieht das ähnlich: „Sie spricht nie von Politik, sondern sagt dem Hündchen und seinem Frauchen guten Tag. Und am Ende denken die Leute, daß sie wirklich nett ist, die Madame Stirbois.“

Mit ihrem Gemisch aus freundlichen Nichtigkeiten und Ausländerfeindlichkeit verteidigt Stirbois nun eher verbissen ihren Sitz. Denn der Wind hat sich gedreht: Auch der konservative Bürgermeister ist heute ein entschiedener Gegner der FN. Um das Image von Dreux zu bessern, hat er zudem versucht, die Probleme der Einwandererviertel zu lindern, wozu der Staat viel Geld lockergemacht hat. So hatte der Durchbruch der FN auch einen gewissen Nutzen. Bettina Kaps

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