: Kein Signal von Clinton an Aristide
Treffen der beiden Präsidenten/ Kein Termin für die Rückkehr des haitianischen Staatschefs/ HIV-positive Flüchtlinge sitzen auf Militärstützpunkt fest ■ Aus Washington Andrea Böhm
Seit über 500 Tagen wartet er in seinem Washingtoner Exil auf die Rückkehr in seine Heimat und seinen angestammten Posten: den des gewählten Präsidenten Haitis. Am Dienstag erhoffte sich Jean Bertrand Aristide ein konkretes Zeichen von Bill Clinton — und bekam es nicht.
Mehrfach hatte Aristide in den letzten Tagen den US-Präsidenten aufgefordert, ein Datum für seine Rückkehr nach Haiti festzusetzen. Doch nach dem einstündigen Gespräch im Weißen Haus war Clinton nur zu unverbindlichen Solidaritätserklärungen bereit: Washington wolle sich mit „sehr viel mehr Nachdruck“ für die Rückkehr des vor achtzehn Monaten gestürzten Aristide einsetzen. Zu weiteren Forderungen des haitianischen Präsidenten — unter anderem nach verschärften Sanktionen — äußerte sich Clinton nicht. Er will zunächst den US-Sonderbeauftragten für Haiti, Lawrence Pezzullo, zu Gesprächen mit den Putschisten unter General Raoul Cedras und der amtierenden Regierung nach Port-au-Prince schicken.
Ein zentraler Streitpunkt in den Verhandlungen über eine Rückkehr Aristides war dessen Vorsatz, die Führer des Putsches von einer Amnestie auszunehmen. Um vor allem der Clinton-Administration seine Kompromißwilligkeit zu demonstrieren, erklärte er am Dienstag ausdrücklich, gegen keinen der Putschführer gerichtlich vorgehen zu wollen. Er verlange lediglich, daß sie von ihren militärischen Führungspositionen zurücktreten.
Ohne den politischen Druck eines Ultimatums für die Rückkehr Aristides, so argumentieren Kritiker der Clintonschen Haiti-Politik, haben die Machthaber in Port-au- Prince jedoch gar keine Veranlassung, einer Rückkehr des gewählten Präsidenten — und damit der Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse — zuzustimmen. Haitis Präsident muß also bis auf weiteres in seinem Washingtoner Hotelzimmer warten.
Dennoch zeigte sich Aristide zufrieden über sein Gespräch mit Clinton. Er rief seine Anhänger auf, keine gewaltsamen Mittel im Kampf gegen die derzeitigen Machthaber in Haiti einzuwenden. Clinton hatte Aristide im Februar vorgeworfen, während seiner Amtszeit Dinge geäußert zu haben, die nicht mit dem Amt eines demokratischen Staatsoberhauptes vereinbar seien.
Unterdessen wird nicht, wie von Aristide gewünscht, die US-Navy die Durchsetzung des Embargos garantieren, sondern die US-Küstenwache Flüchtlinge am Verlassen des Landes hindern. Diese Politik Bushs hatte Clinton im Wahlkampf noch als „unmenschlich“ bezeichnet und rückgängig machen wollen. Doch noch vor Amtsantritt vollzog der Demokrat eine Kehrtwende und stellte sich aus Angst vor einem Massenexodus haitianischer Boat-people hinter die Praxis seines Vorgängers.
Auch ein anderes Wahlversprechen droht zur Makulatur zu werden. Nachdem der US-Kongreß mit überwältigender Mehrheit ein Einwanderungsverbot für HIV- positive AusländerInnen gesetzlich verankert hat, droht 215 haitianischen Flüchtlingen auf dem US- Navy-Stützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba das langsame Dahinsiechen unter unmenschlichen Bedingungen. Die Flüchtlinge gehören zu jener Minderheit der haitianischen Boat-people, deren Asylbegehren von der US-Einwanderungsbehörde für beachtenswert angesehen wurde. Doch die Einreise in die USA wird ihnen aufgrund ihrer Krankheit verwehrt. Einige sitzen nun bereits seit einem Jahr hinter Stacheldraht auf dem Militärstützpunkt fest. Dort stationierte Offiziere haben mehrfach gewarnt, daß eine medizinisch angemessene und menschenwürdige Versorgung auf Guantanamo Bay nicht möglich ist. Sie haben verlangt, den Betroffenen in den USA ärztliche Behandlung zu gewähren. Auf Appelle von Menschenrechtsorganisationen und Prominenten wie Jesse Jackson und der Schauspielerin Susan Sarandon, den HIV-positiven Flüchtlingen durch einen speziellen Erlaß die Einreise zu ermöglichen, hat Clinton bislang nicht reagiert. Nun soll ein Mitarbeiter des Weißen Hauses die Situation der Boat-people vor Ort überprüfen.
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