: Stier mit tollem Gebrüll
■ Der Großteil der Selbstporträts von Max Beckmann aus fünfzig Jahren ist jetzt in einer Ausstellung in der Kunsthalle zu sehen
aus fünfzig
Jahren ist jetzt in einer Ausstellung in der Kunsthalle zu sehen
„...da kommt der Beckmann in diesen löwen- und tigerfreien Zoo der Epoche immerhin als der Stier mit tollem Gebrüll“ schreibt Kasimir Edschmid 1922. Und mit dem dominanten Quadratschädel ist er auch 1993 noch ganz unverstaubt präsent: 27 von insgesamt 35 Selbstporträts sind jetzt für zwei Monate in der Hamburger Kunsthalle versammelt. Kaum ein anderer Maler hat derartig konsequent sich selbst im Bild befragt und in immer neuen Rollen dargestellt. Ob als Seher mit der Wahrsagekugel, als Lauscher auf die Töne der Welt oder als Gestalter der Menschheit mit den Händen zärtlich eine Skulptur umfassend, fast immer scheint die Form der Darstellung den Bildrahmen zu sprengen.
Die Reihe der Selbstporträts des 1884 in Leipzig Geborenen beginnt mit einem Karton von 1900. Beeinflusst vom Jugendstil malt der 16jährige sich seine Seifenblasen-Illusionen. Es ist das Jahr, in dem er sich vergeblich an der Akademie in Dresden bewirbt, an der Kunstschule in Weimar aber aufgenommen wird. 1907 stellt er sich bereits als souveräner Weltmann dar, mit einer ungewöhnlichen Bestimmtheit, die vom Aufbruch der Kunst zum Wagnis des Kubismus völlig unberührt ist und im damaligen Umfeld eher von den Auftraggebern als den Malern selbst erwünscht ist. Die Kunst von Matisse und Franz Marc lehnt er ausdrücklich ab, er geht seinen eigenen Weg, stilisiert sich auch in seinen Äußerungen als Malergenie. Wenn schon Vorbilder, sind es die Werke der altdeutschen Maler.
Doch die alte, bürgerliche Gesellschaft geht im ersten Weltkrieg unter, und auch Beckmann kann sich nicht unbegrenzt gegen seine Zeit stellen. Im Selbstbild als Krankenpfleger von 1915 zeigen sich die Erfahrung des Kriegsgrauens, in den Bildern bis zur Mitte der 20er Jahre die Zersprengtheit und Orientierungslosigkeit einer ganzen Epoche.
1925 trennt er sich von seiner ersten Frau und heiratet „Quappi“ Mathilde Kaulbach. Er malt ein allegorisch verschlüsseltes Hochzeitsbild: Im Doppelporträt stellt er sie mit Pferdchen-Verkleidung und richtungsweisender Geste vor einem roten Vorhang dar, sich selbst als Artisten. Und wieder gewinnt er sein Selbstbewußtsein zurück, 1927 stellt er sich erneut in majestätischer Pose im Smoking dar.
1Doch 1933 bleibt nur noch ein Schatten im Spiegel. Unter der Naziherrschaft gilt Beckmann als entartet und wird verfehmt. Ab 1937 lebt er in Amsterdam und die letzten Lebensjahre bis 1950 lebt und
1lehrt er in den USA. Noch ein regionales Apercu: 1948 wird ihm angeboten, die Hamburger Landeskunstschule zu leiten: er lehnt ab. Hajo Schiff
Bis 23.5., Katalogbuch 30 Mark
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