Bye-bye, Revolution

■ Das Junge Theater spielt „Anarchie in Bayern“: Faßbinder, frisch gebürstet

Er war schon ein Moralist, der Rainer Werner Faßbinder, einer, der den verhaßten KleinbürgerInnen nur zu gern die Maske vom Gesicht riß, etwas aufdringlich manchmal, pathetisch fast in seiner immer wiederkehrenden Botschaft: Biedermann ist der Brandstifter.

Rainer Werner Faßbinders schon leicht angestaubtes Stück „Anarchie in Bayern“ hat das Bremer Junge Theater, das aus dem Jugendclub des Bremer Theaters hervorgegangen ist, nun ausgegraben, abgebürstet und neu auf die Bühne gebracht. Unter der Regie von Carsten Werner gelang einer jener seltenen Glücksfälle einer Aktualisierung, die nicht aufgesetzt wirkt.

Wer das Theater betrat, fühlte sich allerdings zuerst mal in die Siebziger Jahre zurückversetzt: Konstantin Wecker und Wolf Biermann tönten aus dem Lautsprecher, ergraute, feist gewordene Klassiker schon: „So oder so, die Erde wird rot.“

Rot wurden auf der Bühne aber nur die Nasen der Anarchisten, die die Revolution in Bayern inszenierten und per Abstimmung das Geld, die Kirche, die Ordnung und die Ehe abschafften. „Wenn keine Ordnung, gibt's doch kein Leben nicht“, jammerte die ob der grausigen Nachricht von der Revolution erstarrte Spießerfamilie.

Erst als die Anarchie in Gestalt eines Fremden auf dem Familiensofa schließlich sogar Einzug ins traute Heim hält, handelt die Familie still, geschwind und effizient: Der Fremde wird überwältigt, zusammengeschlagen und in Brand gesetzt.

Das Junge Theater hat aus Faßbinders Stück eine schnelle Nummernrevue gemacht, mit witzigen und ernsthaften Anspielungen auf die Leipziger Montagsdemonstrationen, Vereinigungstamtam und alles Fremde ausgrenzende Deutschtümelei, Medienschelte inklusive. Auch die Revolutionen kann man ja heutzutage nicht mehr ernst nehmen, daran ließ die Inszenierung keinen Zweifel.

Das Schnelle, Witzige und Übetriebene liegt dem jungen Ensemble, und dem ollen Faßbinder tat die Frische der nicht gar so professionellen Schauspieler ausgesprochen gut. Da wirkte sogar die laute Verzweiflung der braven Ehefrau Gunda Ohlrogge mit den Plastiktüten in der Hand, deren Welt ohne Geld und Einkauf zusammenbricht, zum Schreien komisch und keine Spur abgegriffen.

Das schnelle Tempo bewahrte die SchauspielerInnen, die keine Charaktere oder Figuren darstellten sondern Rollen spielten, auch vor dem tiefen Absturz ins Klischee. Nur einige der leisen, schwierigeren Szenen gerieten ihnen zäh, gestelzt und steif. Und wenn wir schon beim Mäkeln sind: Wer kein Bayrisch kann, soll's eben lassen, denn neben denen, die die bayrische Mundart perfekt beherrschten, wirkten die Möchtegern-Bayern umso dilettantischer. Ruhri-Slang und Bremisches Platt taten's doch auch.

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